Am 22. September kommt Papst Benedikt XVI. nach Deutschland. Am 25. September geht er wieder. Dazwischen wird er im Bundestag sprechen, das Berliner Olympiastadion füllen und in Erfurt und Freiburg Station machen. „Wo Gott ist, da ist Zukunft. Papstbesuch 2011“ heißt es selbstbewusst auf der Homepage der Deutschen Bischofskonferenz. Ein stolzer Spruch. Aber Bescheidenheit war noch nie die Stärke der Katholischen Kirche.

Illustration: Ralf König
Illustration: Ralf König

Gegen die Vereinnahmung des Bundestags durch Papst Benedikt XVI. setzen sich zirka 100 Abgeordnete zur Wehr, die der Rede denn auch fernbleiben wollen. Das Gebot religiöser Neutralität werde dadurch verletzt, so ihr Argument. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Den geistlichen Zuspruch, den die Bunderegierung derzeit sicherlich benötigt, kann sie sich an anderer Stelle abholen – das Olympiastadion sollte dafür eigentlich groß genug sein.

Wir sind Papst!?

Viele Bundesbürger freuen sich über den Besuch, vielen ist er egal, andere fühlen sich dadurch belästigt. Sicherlich ist die Visite ein Medienereignis ersten Ranges. Einige Glanzbeilagen der Boulevardblätter sind wahrscheinlich bereits gedruckt. Wir werden die Bilder eines lächelnden, weiß gekleideten und rote Lackschuhe tragenden Mannes zu Gesicht bekommen, umringt von jubelnden Massen. „Wir sind Papst!“, wird es dann vielleicht erneut in den Schlagzeilen heißen.

Nicht ohne Grund sind anlässlich des Besuchs auch Proteste zu erwarten. Dabei wird an die Kondompolitik der Katholischen Kirche und die Diskriminierung und gesellschaftliche Ausgrenzung von Schwulen, Lesben und Trans* erinnert. Das ist verständlich und notwendig, war es doch nicht zuletzt Herr Ratzinger, der die Anerkennung der eingetragenen Lebenspartnerschaft als die „Legalisierung des Bösen“ brandmarkte und Homosexualität als „schwere Verirrung“ verunglimpfte. Hoffen wir also, dass viele der innerhalb und außerhalb der Kirche lebenden „unfehlbar Verirrten“ an den Demonstrationen teilnehmen werden!

Päpste kommen und gehen

Bereits im Vorfeld ist die Aufregung darüber groß: Als „unerhört“, „blamabel“ und „kleinkariert“ bezeichnet der Kölner Erzbischof Joachim Meisner entsprechende Vorhaben. Als Lutheraner und ehemaliger Diakon würde ich da weniger Aufgeregtheit und mehr Gelassenheit empfehlen: Der Papst ist auch nur ein Mensch, wenn auch mit besonderem Titel und Outfit (und nicht zu vergessen mit einem Schuhwerk, das manche von uns zu besonderen Anlässen vielleicht auch gerne mal getragen haben …).

Mit allem Respekt vor dem Papst: Meine Lebenserfahrung zeigt mir, dass Päpste kommen und gehen. Das Leben findet sowieso andernorts statt. Auch deshalb sollten wir gelassen bleiben und „die Kirche im Dorf“ lassen: Spätestens zu Halloween wird sich die Aufregung über diesen Besuch wieder gelegt haben.

Was haben wir inhaltlich zu erwarten? Sicherlich wird der Papst viel reden, wenn er hier ist. Für die HIV- und Aids-Arbeit wünschte ich mir, dass er dabei folgende Themen zur Sprache brächte:

 Kondomverbot und HIV-Prävention

Gut wäre es, wenn der Papst darüber spräche, wie viele Menschen sich täglich mit HIV infizieren, welche Rolle dabei das Kondomverbot der Katholischen Kirche spielt und wie die Katholische Kirche dies betreffend ihre Verantwortung definiert. In den vergangenen Monaten schien der Papst von der „reinen“ Kirchenlehre und der doktrinären Ablehnung von Kondomen abzurücken und zum ersten Mal deren Wirksamkeit in der Prävention anzuerkennen (vgl. dazu auch unseren Blogbeitrag „Charmeoffensive mit Kondomen“ ). Es wäre gut, mehr über diesen „Römischen Frühling“ zu erfahren, beispielsweise, ob und wie diese Haltung in den Programmen der Katholischen Kirche umgesetzt und wie die Richtungsänderung intern kommuniziert wird. Die orthodox-weltfremde Haltung der Katholischen Kirche unterminierte bisher die an den Lebensrealitäten der Zielgruppen ausgerichteten Präventionskonzepte. Interessant wäre es auch zu wissen, ob das Abrücken von der Ideologie mit einem akzeptierenden Verständnis gegenüber der gelebten Sexualität einhergeht.

Die Katholische Kirche leidet an ihrer eigenen Homophobie

Gut wäre es auch, wenn der Papst die Homophobie und Sexualfeindlichkeit der Katholischen Kirche und deren Auswirkungen zur Sprache brächte: Kirchenmänner, die im Einklang mit ihrer Institution leben wollen, leiden an deren Sexualfeindlichkeit und Homophobie. Menschen innerhalb und außerhalb der Katholischen Kirche werden dadurch diffamiert, stigmatisiert und ausgegrenzt. Die Katholische Kirche hat hier – vor allem auch angesichts der großen Anzahl von Schwulen und Lesben in ihren eigenen Reihen – eine ganz besondere Verantwortung. Der Beitrag, den homosexuelle Priester und Gläubige zur Verwirklichung einer humanen Kirche und Gesellschaft leisten könnten, bleibt dadurch begrenzt.

Es ist befreiend, Menschen als Gleiche zu begegnen

Nicht zuletzt wünsche ich mir, dass der Papst anlässlich seines Besuchs in Deutschland erfährt, wie befreiend es sein kann, Menschen als Gleiche zu begegnen. Dazu gehört die Erfahrung, dass man andere nicht aufgrund ihres Lebensstils, ihres Geschlechts oder ihrer Überzeugung bewerten und moralisch in Frage stellen muss. Gerne sähe ich die innerkirchliche Einsicht wachsen, dass die eigene Aufwertung stets mit der Abwertung anderer einhergeht. Und dass manche Menschen die erfahrene Abwertung mit ihrem Leben bezahlen.

Der Papst trägt hier in einer ganz besonderen Weise Verantwortung. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass er bei seinem Besuch in Deutschland daran erinnert wird.

 

Am 22. September findet in Berlin eine Demonstration gegen die menschenfeindliche Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes statt. Sie startet um 16.00 Uhr am Potsdamer Platz mit einer Kundgebung, auf der auch  Carsten Schatz sprechen wird, Vorstandsmitglied der Deutschen AIDS-Hilfe. Informationen dazu finden sich unter http://derpapstkommt.lsvd.de/.

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