Die grelle Komödie „Parada“, die am Donnerstag in die Kinos kommt, macht sich gleichermaßen über den Nationalismus in Ex-Jugoslawien wie über die Homophobie in den Balkanstaaten lustig. Eine Filmkritik von Axel Schock

Pinkfarbener Mini
Parada: Mit Klischees gegen Homophobie und Nationalismus (Foto: Neue Visionen Filmverleih)

Der serbische Kriegsveteran Limun (Nikola Kojo) liebt seinen Hund fast so sehr wie seine sehr blond geratene Verlobte Pearl (Hristina Popovi). Sein Geld investiert er in Tattoos und eine geschmacksunsicher dekorierte Neubauvilla. Und auf seiner behaarten Brust baumelt selbstverständlich eine fette Goldkette samt Kruzifix.

Limuns Lieblingsspielzeuge sind nach wie vor Waffen, und seine Erfahrungen als Warlord fließen heute erfolgreich in einen Sicherheitsdienst ein. Wer sich ihm und seinen breitschultrigen Kumpanen entgegenstellt, muss schon lebensmüde sein.

Lustvolles Spiel mit Klischees und Stereotypen

Das Schicksal oder besser gesagt: Limuns gewitzte Braut sorgt dann für einen filmdramaturgisch idealen Kniff: Der Supermacho soll mit seinen kriegsgestählten Kumpels die Demonstranten der Belgrader Schwulenparade schützen. Die wird nämlich von Mirko (Goran Jevtic) mitorganisiert,  der wiederum, so will es das Klischee, der kreativste Hochzeitsplaner der Stadt ist. Ohne Mirko keine Hochzeit, droht das blonde Wesen ihrem Gatten in spe.

Dessen Security-Mannen haben im Krieg schon einiges gemeinsam durchgestanden, aber bei Homos hört für sie die Freundschaft auf. Limun muss sich also seine Helfer auswärts suchen und macht sich – juchhu, noch ein Klischee! – im pinkfarbenen Mini von Mirkos pummeligem Lebensgefährten Radmilo (Miloš Samolov) auf den Weg zu den einstigen Waffenbrüdern in Kroatien, Bosnien und dem Kosovo. So groß die Differenzen zwischen den zerstrittenen Volksgruppen auch sein mögen, die Homophobie ist immer ein gemeinsame Nenner …

Hooligans
Hooligans mit Hass gegen Homos (Foto: Neue Visionen Filmverleih)

Über den Belgrader CSD eine Komödie zu drehen, verstößt eigentlich gegen die guten Sitten. Erinnern wir uns: Als die serbischen Schwulen und Lesben 2001 zum ersten Mal auf die Straße gingen, wurden sie von Hooligans brutal zusammengeschlagen, und 2010 mussten 5000 Polizisten die Demonstranten vor den zahlenmäßig überlegenen Neonazis, Ultraorthodoxen und Nationalisten schützen. Zum Lachen ist das nicht. Gerade deshalb hält der (heterosexuelle) serbische Filmregisseur Srđan Dragojević seinen Landsleuten den Spiegel vor – mit Mitteln der Komödie.

Dazu zählen auch durchaus derbe Späße und eben jede Menge Stereotype, die in einem Land mit schwulem Außenminister, eingetragener Partnerschaft und CSDs als Teil des offiziellen Tourismus-Marketings bisweilen etwas abgedroschen und gestrig wirken mögen: Schwule sind tendenziell Weicheier, haben ein Händchen fürs Dekorieren und spreizen den kleinen Finger ab. Auch die Moral von „Parada“ ist recht einfach: Schwule und Lesben sind auch nur Menschen, und die dumpfbackigen Hetero-Machos mit ihrer latent homophilen Kameraderie sind nicht weniger lächerlich als ihre Vorurteile gegenüber sexuellen oder ethnischen Minderheiten.

Warlord mit Waffe
Ex-Warlord Limun mit Waffe und Verlobter (Foto: Neue Visionen Filmverleih)

Dragojević bleibt mit seinen satirischen Spitzen durchaus demokratisch: Er macht sich über die Marotten und Vorurteile aller Beteiligten gleichermaßen lustig und weiß, was er dem Mainstream-Publikum und damit tendenziell heterosexuell-homophoben Zuschauern zumuten kann. Deshalb sind die Schwulen und Lesben in „Parada“ vor allem nett, aber asexuell. Ein einziger Kuss bereits, das weiß Dragojević, könnte die Solidarität mit den kämpferischen Homosexuellen, die sich beim Zuschauer klammheimlich aufbaut, wieder torpedieren.

Doch Dragojevićs politisch unkorrekte Versöhnungsutopie ist zum Glück nicht ausschließlich rosarote Feelgood-Komödie. Als der große Tag des Belgrad Gay Pride gekommen ist, wandelt sich „Parada“ zur beklemmenden Tragödie. In Ex-Jugoslawien wurde „Parada“ dennoch wie erhofft zum Mainstream-Kinohit.

Kinohit in den Ländern Ex-Jugoslawiens

Über 300.000 Menschen haben ihn dort gesehen „Selbst die homophobsten Zuschauer haben am Schluss geweint. Ich finde das sehr wichtig, tiefe Emotionen in ihnen zu wecken, sodass sie am Ende einfach vergessen, ob es um Homos oder Heteros geht“, erklärt Dragojević. Inzwischen ist sein Film in über 20 Länder verkauft, bei den Berliner Filmfestspielen wurde der Film mit dem Leserpreis der „Siegessäule“ und dem Berlinale-Zuschauerpreis ausgezeichnet.

Und was wird aus dem Gay Pride in Belgrad? Im vergangenen Jahr wurde er von den Behörden kurzerhand verboten, weil man nicht für die Sicherheit der Demonstranten garantieren konnte. In diesem Oktober soll er nun wieder stattfinden. „Das wird der Test, ob mein Film nachhaltig funktioniert hat“, sagt Dragojević. Dann, so seine Hoffnung, werden auch jede Menge Heteros als Unterstützer zur Parade kommen.

Zwei Männer unter einem pinkfarbenen Schirm
Ein Schutzschirm der besonderen Art (Foto: Neue Visionen Filmverleih)

Auch im kroatischen Split kam es übrigens im vergangenen Jahr bei der dortigen Parade zu massiven Übergriffen durch Hooligans. In diesem Juni war das zuständige Ministerium für Soziales besser auf mögliche Ausschreitungen vorbereitet: Es hatte kroatische Kriegsveteranen für die Security engagiert.

„Parada“, Serbien 2011. Regie: Srđan Dragojević. Mit Nikola Kojo, Miloš Samolov, Hristina Popović, Goran Jevtić, Goran Navojec. 115 min. Kinostart: 13. September

 

Weiterführende Links:

Deutscher Trailer zu „Parada“

Spiegel online“-Interview mit „Parada“-Regisseur Srđan Dragojević

Ein Schutzschirm der anderen Art

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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