NACHRUF

Ein Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit

Von Axel Schock
Statue Nelson Mandela
Nelson Mandela war mehr als nur der erste schwarze Staatspräsident Südafrikas, er war zugleich Idol, Stimme und Gewissen eines ganzen Kontinents. Mit dem Tod des Friedensnobelpreisträgers verliert die Welt einen wichtigen Mitstreiter im Kampf gegen Aids. Von Axel Schock

Nelson Mandela
Nelson Mandela 18.7.1918-5.12. 2013 (Foto: South Africa The Good News / www.sagoodnews.co.za)

Ein Mythos und Nationalheld war Nelson Mandela schon lange, bevor er sein Land als erster schwarzer Präsident auf den Weg zu Demokratie und Versöhnung führen konnte.

Seit 1964 kämpfte er aktiv gegen die Apartheid in Südafrika und wurde dafür mit lebenslanger Haft bestraft. 27 Jahre verbrachte er als Häftling hinter Gittern, mit allen Mitteln versuchte die weiße Regierung ihn aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit zu löschen. Sie untersagte, Mandela zu zitieren und Bilder von ihm zu veröffentlichen. Doch mit den Verboten wuchs der Mythos und das Ansehen dieses Mannes nur um so mehr.

Als er am 11. Februar 1990 aus der Haft entlassen wurde, gelang es Mandela mit seiner Würde, menschlichen Größe und einer Politik der Versöhnung das Land vor einem Bürgerkrieg zu bewahren und selbst konservative Südafrikaner für sich zu gewinnen. In seiner legendären Rede noch am Tag seiner Freilassung rief er die 120.000 Menschen, die in ein Stadion in Soweto gekommen waren, dazu auf, an einem „nichtrassischen, geeinten und demokratischen Südafrika mit allgemeinen, freien Wahlen und Stimmrecht für alle“ mitzuarbeiten.

Eine unumstrittene moralische Instanz

Als Präsident des African National Congress (ANC) führte er 1991 die Verhandlungen mit der Regierung, die letztlich zur Abschaffung der Rassentrennung und zu einer neuen Verfassung führten. Spätestens jetzt war Mandela für sein Land, was Gandhi für Indien ist – eine über alle Gesellschaftsschichten und Generationen hinweg als moralische Instanz verehrte Persönlichkeit. Sein Verständnis von Demokratie und für Minderheiten haben dazu maßgeblich beigetragen.

1999 trat der damals bereits 80-jährige Mandela von seinem Amt als Staatspräsident zurück und verabschiedete sich damit auch aus der Innenpolitik. Nur bei einem einzigen Thema wagte er, der Haltung seines Nachfolgers Thabo Mbeki zu widersprechen und aktiv zu werden: der Aids-Politik.

Nelson Mandela als Aids-Aktivist
Staatspräsident und Aids-Akivist (Foto: Eric Miller/MSF)

Ende der 90er Jahre waren rund zehn Prozent der südafrikanischen Bevölkerung mit dem HI-Virus infiziert. Mbeki aber, ein Anhänger der HIV-Aids-Leugner aus dem Umfeld des Virologen Peter Duesberg, ignorierte das Problem. Mandela griff aus taktischen Gründen seinen Amtsnachfolger zwar nicht direkt an, unterstützte aber die Treatment Action Campaign dabei, antiretrovirale Medikamente für die Erkrankten bereitzustellen.

Während seiner eigenen Amtszeit hatte sich Mandela nur am Rande der Epidemie in seinem Land gewidmet. Für seine Regierung gab es noch weitaus drängendere Sorgen und Konflikte zu lösen. Umso intensiver wurde sein Engagement in den Jahren des Ruhestandes. Bald schon war Mandela neben Erzbischof Desmond Tutu einer der wichtigsten Aids-Aktivisten Südafrikas, dessen Wort auch in den benachbarten Ländern Gehör fand.

Mandela brach ein Tabu

Auch, weil Mandela ein Tabu gebrochen hatte: nämlich offen damit umzugehen, dass die Krankheit auch seine Familie nicht verschont hat. 2005 war sein Sohn Makgatho im Alter von 54 Jahren der Immunschwächekrankheit erlegen. „Lasst uns HIV und Aids öffentlich machen, lasst es uns nicht verstecken“, rief Mandela sein Land auf. „Dann nämlich werden die Menschen aufhören, die Krankheit als etwas Außergewöhnliches zu sehen.“

In einer seiner bemerkenswertesten Reden hatte Mandela die Weltgemeinschaft zu mehr Tapferkeit im Kampf gegen HIV und Aids gemahnt: „Je mehr uns der Mut und der Willen zum Handeln fehlt, desto mehr verurteilen wir unsere Brüder und Schwestern, unsere Kinder und unsere Enkelkinder zum Tode. Wenn eines Tages die Geschichte unserer Zeit geschrieben werden wird, wie wird man sich an uns erinnern? Als jene Generation, die sich angesichts einer globalen Krise abgewendet hat, oder als jene, die das Richtige getan hat?“

Bereits 2002 hatte Mandela eine HIV- und Aids-Wohltätigkeitsorganisation gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Bewusstsein gegenüber Aids zu steigern sowie Menschen zu ermutigen, gegen diese Krankheit zu kämpfen. Um besonders die jüngeren Generationen zu erreichen, wurde bereits eine stattliche Zahl großer Benefizkonzerte mit Stars wie Will Smith, Annie Lennox, U2 und Beyoncé Knowles veranstaltet.

Der Name der Kampagne: 46664. Es ist Mandelas Häftlingsnummer, die man ihm als Insassen der Gefängnisinsel Robben Island verpasst hatte. 18 Jahre wurde er nur noch mit dieser Zahlenreihe angesprochen, sein bürgerlicher Name war ausgelöscht.

Häftling Nr. 46664

Mandela wählte diese Nummer für seine Stiftung, um deutlich zu machen, dass HIV-Infizierte und Aidserkrankte Individuen mit eigenen Schicksalen sind und nicht auf eine Zahl in der Statistik reduziert werden dürfen. „Aids ist nicht mehr länger nur eine Krankheit, sondern es ist ein Menschenrechtsthema“, sagte Mandela 2003 in Kapstadt anlässlich des ersten Benefizkonzertes zugunsten von 46664.

Nelson Mandela und Bil Clinton
Eng befreundet: Ex-US-Präsident Bill Clinton und Mandela (Foto: White House Photograph Office)

Auch im fortgeschrittenen Alter setzte Mandela immer wieder seine moralische Autorität ein, um sich gegenüber der Weltöffentlichkeit Gehör zu verschaffen und sich in Sachen Aids zu äußern.„Die Geschichte wird uns verurteilen, wenn nicht mehr Geld gegen die Epidemie eingesetzt werde“, mahnte Mandela bei der Welt-Aids-Konferenz in Bangkok 2010.

„Wir alle wissen, was zu tun ist. Alles was fehlt, ist der politische Wille“, rügte er die seinerzeit in Sachen Global Fund zerstrittenen Geberländer. „Lassen Sie mich meinen Ruhestand genießen, indem Sie beweisen, dass Sie den Herausforderungen gewachsen sind“, forderte Mandela zum Ende seiner Rede.

„Sag ihnen, dass ich in Rente bin“

Zwei Jahre später, beim Welt-AIDS-Kongress in Washington, meldete sich der inzwischen 94-jährige Mandela nicht mehr persönlich zu Wort, sondern bat Bill Clinton, eine Botschaft an die Konferenzteilnehmer zu übermitteln. „Sag ihnen, dass ich in Rente bin. Aber ich wünsche ihnen alles Gute“, ließ er durch den ehemaligen US-Präsidenten ausrichten.

Große Verdienste hat sich Mandela auch bei der Gleichstellung von Homosexuellen in Südafrika erworben. Bereits kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten hatte er einen offen schwulen Richter an den Obersten Berufungsgerichtshof bestellt.

Heute hat Südafrika die liberalste Verfassung in Afrika. Sie garantiert gleiche Rechte für alle Bürger, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität ist verboten. Es ist ein Verdienst von Nelson Mandela, dass Südafrika das fünfte Land der Welt wurde, dass die Ehe für schwule und lesbische Paare geöffnet hat.

„Unsere Nation hat ihren größten Sohn verloren“

Am Donnerstag, dem 5. Dezember, ist Nelson Mandela im Alter von 95 Jahren nach einer Lungenentzündung in seinem Haus in Johannesburg gestorben. Bereits vor einigen Monaten hatte die weit verzweigte Familie Mandelas ein unwürdiges Schauspiel zum Erbe des Staatsmannes geliefert.

„Unsere Nation hat ihren größten Sohn verloren“, erklärte Südafrikas jetziger Präsident Jacob Zuma in einer in viele Länder live übertragenen Fernsehansprache, in der er ein Staatsbegräbnis für den Anti-Apartheid-Kämpfer ankündigte. „Das ist der Moment unseres tiefsten Schmerzes. Nelson Mandela hat uns zusammengeführt. Und zusammen werden wir ihm Lebewohl sagen.“

Von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon wurde Mandela als „Giganten für die Gerechtigkeit“ gewürdigt. „Er hat uns gezeigt, was für unsere Welt und für jeden Einzelnen von uns möglich ist – wenn wir zusammen an Gerechtigkeit und Menschlichkeit glauben, davon träumen und uns dafür einsetzen.“

„Nelson Mandela war eine zentrale Figur in der Aids-Bewegung. Er war maßgeblich daran beteiligt, die Grundlagen der modernen Aids-Bekämpfung zu schaffen“, sagte Michel Sidibé, Exekutivdirektor von UNAIDS. „Sein Engagement hat dazu beigetragen, Millionen von Menschenleben zu retten und das Gesundheitssystem in Afrika zu verändern. Er brach die Verschwörung des Schweigens und gab die Hoffnung, dass alle Menschen in Würde leben können.“

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