Bei einer Diskussion im Rahmen einer Robert-Mapplethorpe-Retrospektive in der Galerie C/O Berlin diskutierte am Donnerstag ein hochkarätiges Podium über die Frage, wie HIV und Aids sich verändert haben – und was geblieben ist

Elisabeth Pott
Elisabeth Pott (BZgA)

Der Fotograf Robert Mapplethorpe ist 1989 an den Folgen von AIDS gestorben – lange bevor es wirksame Medikamente gegen HIV gab. Mit den heute verfügbaren Therapien würde Mapplethorpe wahrscheinlich noch leben.

Inmitten der Fotos einer Mapplethorpe-Retrospektive in der Galerie C/O Berlin fand am Donnerstag unter dem Titel „Aids ist nicht gleich Aids“ eine Diskussion über den Wandel von HIV und Aids statt. Was hat sich verändert? Was ist geblieben?

Das Podium war hochkarätig besetzt: Die Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Elisabeth Pott, erinnerte an die Anfangszeiten, als es politisch noch nicht einmal möglich war, das Wort „Kondom“ in einem Fernsehspot zu verwenden. Man habe sich damals mit einem Zitat des HIV-Entdeckers Luc Montagnier beholfen, erklärte Pott schmunzelnd – der sei als Wissenschaftler unangreifbar gewesen.

Über Kondome durften früher nur Wissenschaftler reden.

Was ist heute schlimmer – HIV oder Diabetes? Diese Einstiegsfrage des Moderators brachte von Anfang an Schwung in die Diskussion, erwies sich aber inhaltlich als wenig ergiebig. Das Podium war sich einig: Es hat wenig Sinn, Krankheiten gegeneinander auszuspielen. HIV dürfe weder mit Schreckensbildern dramatisiert noch verharmlost werden. Ulrich Heide, Geschäftsführer der Deutschen AIDS-Stiftung (DAS) setzte eine feine Pointe: Als professionell von HIV und persönlich von Diabetes Betroffener, könne er sich ein Urteil erlauben.

HIV hat sich durch die Therapien enorm verändert. Deshalb ist die Erkrankung heute auch weniger sichtbar. Dirk Stöllger möchte dem entgegenwirken: Als offen HIV-positiver Bankangestellter geht er in die Öffentlichkeit – als Botschafter der Kampagne „Positiv zusammen leben. Aber sicher!“ von DAH, BZgA und DAS.

Stöllger erzählte, wie ihm bei der Arbeit viel Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen zuteil wird, aber auch davon, dass Menschen mit HIV im heutigen Arbeitsleben mit Nachteilen rechnen müssen: „Arbeitgeber wollen immer eine Olympiamannschaft zusammenstellen.“ Chronisch Kranke gälten oft als weniger leistungsfähig.

Carsten Schatz
Carsten Schatz (DAH)

In dieser Hinsicht hat sich in 30 Jahren HIV noch nicht genug verändert: „Stigmatisierung und Diskriminierung gib es immer noch!“, betonte Carsten Schatz, Vorstandsmitglieder der Deutschen AIDS-Hilfe.

„Es gibt hier keine gesellschaftliche Atmosphäre, die es ermöglicht, zu seiner Infektion zu stehen und sich als HIV-positiv zu outen“, ergänzte Christoph Mayr, Deutsche Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ).

Auch in dieser Hinsicht war man sich einig: Diskriminierung verhindert Kommunikation und damit auch die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten sich zu schützen. Darüber, so Schatz, müsse geredet werden.

Geredet wurde auch noch über viele weitere Aspekte von HIV im Jahr 2011: Könnte die so genannte Pre-Expositionsprophylaxe („Pillen davor“) eine Option für die Prävention sein? Wie lassen sich die überteuerten Medikamentenpreise in Deutschland wirkungsvoll senken? Und wie geht man mit den Ländern in Osteuropa und Zentralasien um, deren Regierungen schlicht leugnen, dass auch in ihrem Land Sex unter Männern und intravenöser Drogenkonsum stattfindet?

All diese Fragen wurden nur angerissen. Sie machen deutlich: HIV und Aids haben sich zwar dramatisch verändert. Aber das letzte Wort ist noch lange nicht gesprochen.

Miriam Craß

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1 Kommentar

  1. Das HI-Virus hat sich NICHT verändert, verändert haben sich die therapeutischen Optionen. Und immer, wenn eine vormals nicht behandelbare Krankheit behandelbar wird, verändert sich der emotionale Blick (siehe Tuberkulose, Syphilis, Lepra..) und die Verunsicherung im Kontakt mit Betroffenen wird kleiner oder löst sich auf.

    Zuallererst immer von den Betroffenen selber, weil sie die Veränderungen am eigenen Selbst erleben. Die Gesellschaft reagiert stets viel träger, eine veränderte Realität wahrzunehmen.

    Das Menschenrecht auf Redefreiheit und Versammlungsfreiheit für Menschen mit HIV besteht so lange nur auf dem Papier, solange Menschen mit HIV in ihrer (beruflichen…) Existenz bedroht sind, wenn sie sich outen.

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