Das war 2013
„Mein persönliches Highlight war natürlich die Kampagne zum Welt-Aids-Tag, deren Vorbereitungen einen Großteil meines Jahres bestimmt hat – und auch am meisten Spaß gemacht hat. Mich hat diese Arbeit noch einmal darin bestätigt, dass der Weg, den ich im Umgang mit meiner Erkrankung gewählt habe, der richtige für mich ist: Meine HIV-Infektion ist nicht der Mittelpunkt meines Lebens und soll es so schnell auch noch nicht werden.
Der Austausch mit den anderen Welt-Aids-Tags-Botschaftern war für mich sehr aufschlussreich und bereichernd, weil ich dadurch Gelegenheit hatte, mal wieder über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Ich war zum Beispiel sehr erschrocken, als ich von den schwulen Botschaftern erfuhr, dass es in ihrer Szene noch immer große Berührungsängste im Hinblick auf HIV und Aids gibt. Da hatte ich viel mehr Toleranz erwartet.
All diese Erfahrungen haben mich angespornt, darüber nachzudenken, worauf ich künftig den Schwerpunkt meiner ehrenamtlichen Arbeit legen möchte. In den letzten Jahren habe ich mich weitgehend der Behindertenarbeit gewidmet, aber ich kann mir gut vorstellen, mich demnächst mehr im Bereich HIV und Aids zu engagieren.“
Angelika, Botschafterin des Welt-AIDS-Tags 2013
„Wir hatten uns viel vorgenommen und konnten nach zwei Jahren konzentrierter Arbeit das Projekt AfroLebenVoice 2013 tatsächlich abschließen. Es ist für mich eine große Freude, jetzt das Ergebnis zu sehen und zu wissen, dass die erarbeiteten Inhalte, unsere Lebensgeschichten und Statements nun auch als Empowerment für andere weitergetragen werden, zum Beispiel durch eine Ausstellung, den Kalender oder auch durch das mobile Aufklärungstheater.
Zugleich aber ist der Abschluss von AfroLebenVoice auch ein persönlicher Verlust: Wir haben eine lange, vor allem auch sehr intensive gemeinsame Zeit in der Projektgruppe hinter uns. Sie war geprägt von einer Auseinandersetzung, die stets in Augenhöhe und in einer besonderen Atmosphäre des Vertrauens stattgefunden hat. Viele der Beteiligten kannte ich durch das Netzwerk Afroleben+ schon sehr lange. Doch durch diese besondere Form der Zusammenarbeit habe noch einmal ganz andere Seiten in ihnen entdecken können – und auch in mir selbst. Auf das Ergebnis können wir alle sehr stolz sein.“
Pete, Teilnehmerin des Projekts AfroLebenVoice
„Es ist nicht ganz einfach, die Gefühle zu beschreiben, die ich am 19. Dezember auf der Rückfahrt vom Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hatte. Das BAG hatte den sogenannten Chemielaboranten-Fall entschieden. Erstmals hat ein deutsches Gericht anerkannt, dass die HIV-Infektion die Voraussetzungen einer Behinderung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) erfüllt. Das sei von den Vorinstanzen nicht zutreffend gesehen worden, und der Arbeitgeber habe nicht ausreichend geprüft, ob eine Weiterbeschäftigung von Sebastian F. (Name geändert) trotz seiner HIV-Infektion möglich ist. All das bei einer Kündigung innerhalb der Probezeit!
„Kurz nach der Urteilsverkündung war uns noch gar nicht richtig bewusst, was da gerade geschehen ist“
Selten bin ich zu einer Gerichtsverhandlung mit einem so starken Gefühl der Unsicherheit bezüglich des Ausgangs gefahren. Es hätte alles passieren können. Und dann dieses für Menschen mit HIV so wichtige und hilfreiche Urteil! Kurz nach Urteilsverkündung war uns, die wir zusammen bei der Verhandlung waren, noch gar nicht richtig bewusst, was da gerade geschehen ist.
Erst im Zug auf der Rückfahrt fing es an zu wirken, und ich musste auch an andere Kündigungsfälle denken, die eine HIV-Infektion im Hintergrund hatten und bei denen die Arbeitgeber entweder etwas anderes oder gar keine Begründung angegeben haben. An diese Fälle kommen wir jetzt endlich ran – vielleicht nicht immer, aber viel besser als früher. Denn bei dem Verdacht einer Diskriminierung wegen eines im AGG geregelten Diskriminierungsverbots muss nunmehr der Arbeitgeber beweisen, dass der Grun nicht die HIV-Infektion war.
An diesem 19. Dezember 2013 ist etwas ganz Besonderes zum Schutz von Menschen mit HIV geschehen. Ich denke an Sebastian F. in tiefer Bewunderung für die Kraft, die er aufgebracht hat, um diesen Weg für sich und viele andere zu gehen.“
Jacob Hösl, Rechtsanwalt
„Wer mit Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern solidarisch sein will, muss es sich zur Aufgabe machen, zu lernen. Und zwar von Huren zu lernen, von uns Experten und Expertinnen in Sachen Prostitution. Die auch 2013 wieder kursierenden Unwahrheiten und Fehlinformationen im Mix mit voyeuristischem Interesse und moralischen Bewertungen der Sexarbeit als einem sozialen Übel ergeben nicht nur ein völlig realitätsfernes Bild, sondern sind schlicht gefährlich – für die Sicherheit und die Arbeitsbedingungen aller Huren, besonders aber jener Huren, die in prekären Verhältnissen arbeiten. Wem Diskriminierung droht, wird sich verstecken.
„Wem Diskriminierung und Kriminalisierung drohen, wird sich verstecken“
Die meisten Huren führen ein Doppelleben, auch wenn die Sexarbeit in Deutschland legal ist. Wem Kriminalisierung droht, wird sich noch mehr verstecken. Wer sowieso schon berechtigten Grund hat, vor Behörden aller Art Angst zu haben, wird – wie zum Beispiel in Schweden oder den USA – den illegalisierten Untergrund der Behördenwillkür vorziehen. Es darf nicht Ziel der Politik sein, denjenigen, die für schlechte Arbeitsbedingungen sorgen und Sexarbeiterinnen ausbeuten, noch mehr Werkzeug an die Hand zu geben – das Werkzeug Untergrund und die Botschaft, Prostituierte seien ein soziales Problem und deshalb legitime Zielscheiben von Gewalt und Aggression.
Wer mit Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern solidarisch sein will, muss es sich zur Aufgabe machen, zu lernen. Von uns. Nicht nur in Sachen Sex und Prävention, Kommunikation und Verhandeln, sondern auch in Sachen Politik. Salute!“
Alexa Müller, Sexarbeiterin
„Als ich mich Ende Juni auf den Weg zur 7. Konferenz der Internationalen Aids-Gesellschaft (IAS) in Kuala Lumpur machte, erwartete ich eine Veranstaltung voller medizinischer Informationen rund um HIV. Ich wusste, sie wird in einem Land stattfinden, das Menschen mit HIV die Einreise verweigert, auch wenn bei der Einreise nicht nach den Serostatus gefragt wird.
„Der Blick über den Tellerrand wird immer wichtiger, wenn wir uns weiterentwickeln wollen“
Auch das war für mich ein Grund, hinzufahren. Es galt, deutlich zu machen, dass Einreisebeschränkungen unsinnig sind und uns nicht davon abhalten, unsere Positionen zu Gehör zu bringen. Tatsächlich gab es neben einer Reihe medizinischer Nachrichten eine Botschaft aus Kuala Lumpur, die uns freuen sollte: Es gibt einen – aus meiner Beobachtung dramatischen – Perspektivenwechsel hin zu gesellschaftlichen Strukturen und den sozialen Bedingungen der HIV-Epidemie.
Und so wurde nicht bloß am Rande, sondern in allen Plenumsveranstaltungen diskutiert, wie Menschen in die Lage versetzt werden können, eigene Entscheidungen für den Schutz vor HIV zu treffen, und welche Ansätze zu entwickeln sind, um individuelles Verhalten und gesellschaftliche Verhältnisse im Zusammenhang zu sehen. Wir bei der Deutschen AIDS-Hilfe nennen das strukturelle Prävention. Angesichts der unmenschlichen Kriminalisierung von Drogen Gebrauchenden in vielen Ländern der Welt und einer zunehmenden Homophobie nicht nur in Russland war es richtig, dass die Konferenz diskutierte, wie falsche Politik und Rahmensetzungen die Epidemie befeuern, statt sie zu stoppen.
Der Blick über den Tellerrand ist wertvoll und wird immer wichtiger, wenn wir uns – zumal in einer globalisierten Welt – weiterentwickeln wollen. Denn auch das hat Kuala Lumpur gezeigt: Die Auseinandersetzungen der kommenden Jahre werden wir an der Seite der IAS in anderen Ländern und Regionen dieser Welt führen müssen, sei es die Frage von Freihandelsabkommen, die die Versorgung mit Medikamenten für viele Menschen mit HIV in Asien und Afrika bedrohen, oder das Engagement gegen Homophobie und die Verfolgung von Drogengebraucherinnen und -gebrauchern. Das nämlich sind Probleme, die immer auch bis vor unsere Haustür reichen.“
Carsten Schatz, Vorstand der Deutschen AIDS-Aidshilfe
„Mein Highlight des Jahres 2013 war meine Berufung in die Jury des HIV-Community-Preises. Als ich die Bewerbungsunterlagen las, fiel mir auf, wie viele tolle Projekte es gibt. Es war zwar viel Arbeit, sich mit allen im Detail zu beschäftigen, aber es hat auch sehr viel Spaß gemacht. Ohne den Preis hätte ich von den meisten wahrscheinlich nie gehört.
Gerade kleinere Aidshilfen stellen – trotz oft geringer finanzieller Mittel – ganz schön viel auf die Beine. Das ist in vielen Fällen natürlich nur durch die Mitarbeit von Ehrenamtlichen möglich. Gerade die Beteiligung von Menschen mit HIV und Aids hat mich begeistert. Aus den unterschiedlichsten Lebenswelten kommen Leute zusammen, die beweisen, dass Vielfalt eine Stärke und Partizipation von Menschen mit HIV und Aids sinnvoll ist.
Ich hoffe, dass wir durch Auszeichnungen wie den Community-Preis Unterstützung und Anerkennung ausdrücken können, die absolut angebracht und verdient ist. Möglicherweise nehmen sich andere ein Beispiel und machen es nach.
Danke an alle, die sich engagieren und so für eine gerechte Gesellschaft stehen und kämpfen, in der niemand ausgegrenzt werden darf. Ich freue mich auf den nächsten HIV-Community-Preis und weitere spannende Bewerber!“
Marcel Dahms, Videoblogger und Aidsaktivist
„Sehr beeindruckend waren für mich in diesem Jahr unsere Botschafterinnen und Botschafter der Gemeinschaftsaktion Positiv zusammen leben. Mit viel Mut und Engagement standen sie in der Öffentlichkeit für Solidarität und einen positiven Umgang mit Menschen mit HIV. Damit wurde der Welt-Aids-Tag mit persönlichen Erfahrungen erlebbar und brachte das Thema des Zusammenhalts erfolgreich ins öffentliche Bewusstsein. An dieser Stelle möchte ich allen Botschafterinnen und Botschaftern, den Partnerinnen und Partnern sowie den Unterstützern der Gemeinschaftsaktion danken.
Ein weiteres Highlight war die Eröffnung der HIV/STI-Ausstellung „GROSSE FREIHEIT – liebe.lust.leben.“. HIV und Aids kennen die Menschen heute, aber die wenigsten wissen, was Chlamydien, Gonorrhö oder HPV sind. Mit der Ausstellung wollen wir das auf eine spielerische und lebensnahe Art ändern. Beim wiederholten Besuch der Ausstellung habe ich selbst erlebt, wie gut die Jugendlichen miteinander ins Gespräch kommen, sowohl über Sexualität ganz allgemein als auch über sexuell übertragbare Infektionen.
2013 hat auch die EU-geförderte Joint Action zur Qualitätsverbesserung in der HIV-Prävention begonnen. Das Projekt habe ich zusammen mit Kollegen und Kolleginnen schon seit der frühsten Planungsphase begleitet. Daher habe ich mich besonders gefreut, zu erleben, mit wie viel Engagement die Partner aus 20 Ländern bei der Eröffnungsveranstaltung in Berlin dabei waren. In der Zwischenzeit ist in dem Projekt viel geschehen: verschiedene Instrumente zur Qualitätsverbesserung stehen bereit, die Trainings dazu sind in Vorbereitung, und die DAH bereitet die praktische Anwendung in Projekten vor.
2013 war für mich ein bewegtes und gutes Jahr. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit 2014 mit all den Kollegen und Kolleginnen, die im Bereich HIV, STIs und sexuelle Gesundheit aktiv sind.“
Dr. Christine Winkelmann, Referatsleiterin HIV/STI-Prävention in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
„Im Oktober feierte das Community-Zentrum LaSky in St. Petersburg sein achtjähriges Bestehen. LaSky hat in den letzten Jahren unter schwierigen äußeren Umständen erfolgreich Präventionsangebote für MSM in St. Petersburg aufgebaut. Ebenso gelang es, einen geschützten Raum für den Austausch von HIV-positiven Männern und Aktivist_innen der LGBT-Community zu etablieren.
Da die Deutsche AIDS-Hilfe seit längerem mit LaSky kooperiert, war ich zusammen mit Kolleg_innen der Schwulenberatung und der ZiK GmbH zu einer Konferenz nach St. Petersburg eingeladen, die anlässlich des Jubiläums die aktuelle Situation der Präventionsarbeit vor Ort beleuchten sollte. Ich war seit zehn Jahren nicht mehr in Russland gewesen. Die Erinnerung an meine damaligen Aufenthalte und die jüngsten Nachrichten von dort hatten bei mir ein Bild von Tristesse und grauer Uniformiertheit erzeugt.
Umso überraschter war ich von der Lebendigkeit, Vielfalt und Offenheit der Menschen, auf die ich während der Konferenz, bei dem Besuch von Selbsthilfegruppen und den Geburtstagsfeierlichkeiten in einem Nachtklub traf. Die engagierte und zugleich wertschätzende Art, Meinungsverschiedenheiten innerhalb der LGBT-Community auszutragen, hatte für mich eine Frische, die mich sehr beeindruckt hat. Für mich war das geradezu euphorisierend, trotz des Kontrasts zu den frustrierenden Menschenrechtsfragen und den homophoben Entwicklungen in Russland.
„Ich habe großen Respekt vor den Menschen, die sich in Russland für eine gerechte Gesellschaft einsetzen und dabei so viel riskieren“
Nachdem ich mit einem Hochgefühl aus Russland zurückgekommen war, erhielt ich zwei Wochen später die Nachricht, dass das Community-Zentrum von homophoben Schlägern überfallen worden war. Ein junger Mann wurde dabei derart schwer verletzt, dass er auf einem Auge blind bleiben wird. Diese Nachricht war ein Schock. Sie führte mir in aller Deutlichkeit vor, wie gefährdet diejenigen in Russland sind, die nicht einer vermeintlichen Normalität entsprechen. Sie machte mir ebenso deutlich, dass eine kämpferische Aufbruchstimmung leicht darüber hinwegtäuschen kann, dass es um existenzielle Dinge geht – anders, als ich es in meinen westlichen Lebenszusammenhängen gewohnt bin. Ich habe großen Respekt vor den Menschen, die sich in Russland in der einen oder anderen Form für eine gerechte Gesellschaft einsetzen und dabei so viel riskieren.“
Ludger Schmidt, DAH-Referent für Internationales
„Mein Highlight für 2013 war ganz klar, dass ich ein Teil der Welt-Aids-Tags-Kampagne Positiv zusammen leben sein durfte. Dass dabei mein größter Traum in Erfüllung gehen würde, nämlich eine gemeinsame Aktion mit meiner Lieblingssängerin Sarah Connor, damit hätte ich nie gerechnet. Dafür bin ich mega dankbar. Es war traumhaft schön!
Gerade dieses Erlebnis hat mich wieder sehr gestärkt, nachdem 2012 für mich ein eher kraftaufwendiges Jahr war, wo ich nicht wusste, wie es weitergehen soll. Ich habe durch die Kampagne tolle neue Leute kennengelernt, aber auch neue Impulse bekommen und neue Ideen sammeln können. Mich hat das alles sehr motiviert, mich weiterhin gegen Diskriminierung und Stigmatisierung von HIV-Positiven und Aidskranken zu engagieren. Ich selbst habe, außer kleinen Ausnahmen, bei Ärzten bisher keine Diskriminierung erlebt – das zeigt, dass so etwas möglich ist. Mein Ansporn und Wunsch ist es, dass alle Patientinnen und Patienten mit HIV oder Aids ohne Diskriminierungen offen und frei leben dürfen.
Jetzt blicke ich voll Zuversicht ins neue Jahr, und mein Wunsch wäre es, mich auch beruflich in diese Richtung zu verändern, zum Beispiel bei einer Aidshilfe unterzukommen und dann auch mehr Zeit zu haben, anderen Positiven zu helfen.“
Doreen, Botschafterin des Welt-Aids-Tages 2013
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