DROGENPOLITIK

Wien not War

Von Paul Schulz
In einer „Wiener Erklärung“ fordern renommierte Wissenschaftler von allen fünf Kontinenten das Ende des „War on Drugs“. Das Ziel: bessere HIV-Prävention

Schon vor Beginn der 18. Welt-AIDS-Konferenz in Wien sorgt ein Papier für Furore, das den schlichten Titel „Wiener Erklärung“ trägt. Darin steht eine radikale Forderung an die ganze Welt, namentlich die Staaten und die UNO: „Die Welt braucht einen neuen Ansatz für den Umgang mit illegalen Drogen.“

Der Versuch, Schäden durch den Gebrauch illegaler Drogen mittels radikaler Strafverfolgung einzudämmen, sei fehlgeschlagen: „Die Kriminalisierung von Konsumenten illegaler Drogen trägt zur Ausbreitung der HIV-Epidemie bei und hat äußerst negative gesundheitliche und soziale Folgen nach sich gezogen. Hier ist eine umfassende strategische Neuorientierung erforderlich.“

Es sind renommierte Wissenschaftler und Organisationen, die diese Erklärung initiiert haben, darunter die Internationale AIDS-Gesellschaft, das BC Centre for Excellence in HIV/AIDS sowie das Internationale Zentrum für Wissenschaft in der Drogenpolitik (ICSDP). Am Text der Erklärung haben führende Vertreter aus Medizin, Politik und öffentlicher Gesundheit von allen fünf Kontinenten mitgewirkt.

Sie stellen in der Wiener Erklärung fest: „Die vorherrschende internationale Reaktion auf die gesundheitlichen und sozialen Schäden infolge Drogenkonsums besteht in einem globalen ,War on Drugs‘, der darauf abzielt, die Verfügbarkeit und den Konsum illegaler Drogen mithilfe von Strafverfolgungsmaßnahmen einzudämmen.“ Dieser „Krieg gegen Drogen“ habe aber weder den Drogenkonsum noch die ökonomischen und sozialen Folgeprobleme eindämmen können.

Ganz im Gegenteil: Die Kriminalisierung trägt nach Ansicht der Forscher zu HIV-Infektionen in hohem Maße bei. Die Konsumenten würden in die Illegalität gedrängt, der Zugang zu Prävention und Resozialisierungsmaßnahmen sei ihnen damit oft fast völlig verwehrt.

In manchen Regionen der Welt, zum Beispiel in Osteuropa, seien bereits 70 bis 80 Prozent der Menschen, die intravenös Drogen konsumieren, HIV-positiv. Jede dritte Infektion außerhalb des subsaharischen Afrikas finde durch gemeinsam benutzte Spritzen statt. Der „War on Drugs“ sei daher vielmehr ein Krieg gegen Drogenkonsumenten.

Das scheinen selbst dessen Erfinder allmählich zu begreifen: In den USA wurde 2007 auf der jährlichen Bürgermeisterkonferenz einstimmig eine Resolution verabschiedet, in der es heißt, der „War on Drugs“ sei gescheitert.

Die Wiener Erklärung fordert die Politik und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon nun zu neuen Maßnahmen auf. Sie sollen die Wirksamkeit gegen individuelle wie gemeinschaftliche Schäden zum Maßstab haben und dabei an wissenschaftlich belegbaren Kriterien ausgerichtet werden.

Konkret heißt das unter anderem: Drogenkonsumenten sollen entkriminalisiert werden und mehr Möglichkeiten zur Behandlung erhalten. Erfolglose Behandlungszentren, in denen Zwangstherapien stattfinden, sollen schließen. Die betroffenen Kommunen sollen in Drogenhilfemaßnahmen verstärkt einbezogen werden.
Die Wissenschaftler fordern außerdem allgemeine Zustimmung und mehr Geld für die Umsetzung von Maßnahmen aus dem Zielsetzungshandbuch der Organisationen WHO, UNAIDS und UNODC.

Unter www.diewienererklarung.com gibt es mehr Informationen. Dort kann man die Deklaration auch online unterzeichnen.

(Paul Schulz)

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