In der FACTS-001-Studie konnte nicht gezeigt werden, dass ein Gel mit dem Wirkstoff Tenofovir, das vor und nach dem Sex in die Scheide eingeführt wird, vor HIV schützt. Armin Schafberger berichtet aus Seattle von der HIV-Konferenz CROI.

Muss es immer eine Tablette sein, die im ganzen Körper wirkt? Oder reicht es, die Schleimhaut zu schützen, die mit HIV in Kontakt kommt, um eine Infektion zu verhindern? Auch zu diesen Fragen wird geforscht und wurden auf der CROI in Seattle Ergebnisse präsentiert.

In der FACTS-001-Studie (FACTS steht für „Follow-on African Consortium for Tenofovir Studies“) wurde in Südafrika an über 2.000 Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren Vaginalgel als Schutz gegen HIV getestet. Dazu hat man die Teilnehmerinnen in zwei Gruppen aufgeteilt: Die eine Gruppe bekam ein Gel mit dem Wirkstoff Tenofovir (1 %), die andere ein Gel, das kein Tenofovir enthielt – also ein Placebo. Weder den Teilnehmerinnen noch den Forscherinnen und Forschern war bekannt, wer sich in welcher Gruppe befand (Doppelblind-Studie).

Die Frauen sollten sich das Gel innerhalb von zwölf Stunden vor und nicht länger als zwölf Stunden nach dem Sex in die Vagina einführen. Innerhalb von 24 Stunden durften nicht mehr als zwei Dosen des Gels verabreicht werden – egal, wie oft die Frauen in dem Zeitraum Sex hatten. Soviel zum Anwendungsschema.

Neuinfektionsrate von 4 % pro Jahr – sowohl in der Tenofovir- als auch in der Placebo-Gruppe

Fast 90 % der Studienteilnehmerinnen waren Single, mehr als 70 % jünger als 25 Jahre. Ein Drittel berichtete konsequenten Kondomgebrauch, 1 % hatte nach eigenen Angaben auch Analverkehr.

Die Neuinfektionsrate lag in der Studie bei 4 % pro Jahr. Von 100 jungen Frauen infizieren sich also 4 in einem Jahr mit HIV. Und dieser Wert war in beiden Gruppen gleich: sowohl in der Gruppe, die das Tenofovir-Gel verwendete, als auch in der Placebo-Gruppe. Der Einsatz von Tenofovir zeigte also überhaupt keinen Schutzeffekt.

Ein enttäuschendes Ergebnis! Und überraschend – insofern als im Jahr 2010 auf der Konferenz der Internationalen Aids-Gesellschaft in Rom die Caprisa-004-Studie präsentiert wurde, die für das Tenofovir-Vaginalgel beim gleichen Anwendungsschema einen Schutzeffekt von 39 % gezeigt hatte. Allerdings „schrammte“ man mit dem Ergebnis damals knapp an der Zufallsgrenze vorbei (wir berichteten im HIV.Report).

Wirkt das Gel nicht, oder liegt es an mangelhafter Therapietreue?

Man schätzt anhand der Zahl der zurückgegebenen gebrauchten Gel-Applikatoren, dass die Frauen in der FACTS-001-Studie für circa 50 bis 60 % aller Sexualakte das Gel einsetzten (auch dieser Wert ist in beiden Gruppen gleich).

Stellt sich also die Frage: Wirkt das Gel überhaupt nicht, oder hat das Ergebnis mit mangelhafter Therapietreue zu tun?

Um sie zu beantworten, hat man bei rund 200 Teilnehmerinnen der Studie versucht, Tenofovir in der Vaginalflüssigkeit nachzuweisen. Bei 13 % konnte bei keiner der vierteljährlichen Untersuchungen der Wirkstoff nachgewiesen werden, bei 65 % manchmal und bei 22 % bei allen Untersuchungen. Die letzte Gruppe war also die zuverlässigste.

Die lokale PrEP bei Frauen hat Potenzial

Wenn man nun von denjenigen Frauen, bei denen Tenofovir nachgewiesen wurde und die angaben, dass sie in den letzten zehn Tagen Sex hatten, den Schutzeffekt berechnet, erreicht man 52 % Risikoreduktion durch das Gel.

Man muss also genau auswählen und die Sache zurechtbiegen, bis man bei einer Teilpopulation eine Schutzwirkung errechnen kann. Prinzipiell aber – und das ist wichtig für die weitere Forschung – hat die lokale Anwendung der Prä-Expositions-Prophylaxe (kurz: PrEP) bei Frauen Potenzial.

Und deshalb warten wir jetzt auf die Ergebnisse einer weiteren Studie zum Tenofovir-Gel: Caprisa 008. Noch in diesem Jahr soll diese abgeschlossen werden.

Außerdem wird das Gel in veränderter Form auch für die rektale Anwendung geprüft. Auch hier erwarten wir für 2015 noch Daten – zwar noch nicht zum Schutzeffekt, aber zur Klärung der Frage, ob das Gel sicher anwendbar ist. Ende des Jahres sollen zudem zwei Studien zur PrEP im Vaginalring abgeschlossen sein.

Die Studien PROUD und Ipergay, die ebenfalls am Dienstag auf der CROI in Seattle vorgestellt wurden (wir berichteten auf magazin.hiv), zeigten für die HIV-PrEP mit der Truvada-Pille bei schwulen Männern phänomenale Resultate. Mit den Ergebnissen von „FACTS 001“ geht es beim Thema lokale PrEP bei Frauen erst mal einen Schritt zurück – aber das Jahr hat erst begonnen.

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Armin Schafberger

Armin Schafberger ist Arzt und Master of Public Health, Trainer und freier Autor.

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