PREP-DEBATTE (3)

IPERGAY: Studie zur HIV-PrEP bei schwulen Männern

Von Armin Schafberger
IPERGAY-Logo
Seit 2012 werden Studienteilnehmer in Frankreich und Kanada rekrutiert, 2014 sollen Männer aus Deutschland, Italien, Spanien und Portugal hinzukommen: IPERGAY untersucht, ob die anlassbezogene HIV-PrEP mit Truvada vor HIV schützt.

Was ist das Besondere an IPERGAY?

Ipergay ist die erste Studie zur anlassbezogenen HIV-PrEP mit Truvada (Tenofovir + Emtricitabin). In allen bisherigen Studien zur PrEP musste das Medikament täglich über Monate bzw. Jahre eingenommen werden.

Wie ist die Studie aufgebaut?

Ipergay ist wie fast alle großen Präventionsstudien eine doppelblind randomisierte Interventionsstudie mit zwei Studienarmen: PrEP und Placebo. Doppelblind heißt: Weder die Probanden noch die Forscher wissen, wer das HIV-Medikament und wer das Placebo bekommt.

Die Teilnehmer in beiden Studienarmen erhalten ein umfangreiches Präventionspaket: Zu Beginn der Studie werden Impfungen gegen Hepatitis A und Hepatitis B.

Alle zwei Monate bekommen sie außerdem

  • eine ausführliche Beratung (30 Minuten bis eine Stunde)
  • Kondome
  • umfangreiche Tests auf sexuell übertragbare Infektionen wie Syphilis, Gonorrhö (Tripper), Chlamydien, Hepatitis C und gegebenenfalls Hepatitis B (je nach Impfstatus)
  • einen HIV-Test.

Wer kann teilnehmen?

An IPERGAY können Männer teilnehmen, die in den letzten sechs Monaten mit mindestens zwei Partnern kondomlosen Sex gehabt haben. Die Rekrutierung begann im Februar 2012. Zurzeit sind etwas über 300 Teilnehmer eingeschlossen. Ziel ist es, sowohl im Placebo-Arm als auch im PrEP-Arm 950 Probanden einzuschließen. Bei jeweils 900 Teilnehmern müsste die Studie, um Ergebnisse zu zeigen, zwei Jahre laufen.

Wo läuft die Studie?

Momentan läuft die Studie in einigen französischen Städten (Paris, Nizza, Lille, Lyon) sowie in Montreal (Kanada). Noch für 2014 ist eine Ausweitung auf Deutschland (Berlin, Hamburg, Köln), Italien (Mailand), Spanien und Portugal geplant.

Wie wird die PrEP eingenommen?

Frühestens 24 Stunden bis spätestens zwei Stunden vor dem Sex nimmt man zwei Tabletten Truvada ein. Man hofft, so den für eine Schutzwirkung nötigen Blutspiegel zu erreichen. Solange man Sex hat, wird anschließend täglich eine Tablette eingenommen. An den zwei Tagen nach dem letzten Sex wird noch jeweils eine Tablette eingenommen (also z.B. Montag und Dienstag, wenn Sonntag der letzte Sex war).

Wie ist man gerade auf dieses Einnahmeschema gekommen?

Aus anderen Studien weiß man, dass die in Truvada enthaltenen Medikamente sich relativ rasch im Blut verteilen und in die Körperzellen gelangen. Ob damit ein ausreichender Schutzeffekt aufgebaut wird, soll IPERGAY beantworten.Inzwischen weiß man von der iPrEx-OLE-Studie, dass man mit der Einnahme von vier Tabletten pro Woche bereits einen guten Schutzeffekt erzielt – dies stärkt die hinter IPERGAY stehende These, dass man keine Dauer-PrEP (täglich über Monate/Jahre) einnehmen muss.

Warum nimmt man Truvada?

Für die PrEP sucht man eine wirksame Substanz, die möglichst geringe Nebenwirkungen hat. Da Truvada schon einige Jahre in der Therapie eingesetzt wird, kennt man die Nebenwirkungen – im Gegensatz zu neueren Substanzen – gut. Die wichtigste Nebenwirkung, die ist eine Verringerung der Nierenfunktion. Daher werden die „Nierenwerte“ in der Studie regelmäßig überprüft.

Warum gibt es überhaupt einen Placebo-Arm, wenn man doch aus der iPrEx-Studie weiß, dass die PrEP wirkt?

Die Planung einer solchen Studie dauert einige Jahre. Bei Planung von IPERGAY lagen die iPrEX-Ergebnisse noch nicht vor. Außerdem ist noch völlig offen, ob die anlassbezogene PrEP überhaupt wirkt. Ideal wäre es, in einem zusätzlichen Studienarm (mit Placebo) die tägliche PrEP zu vergleichen. Dies würde jedoch die Studie zu sehr verteuern.

Werden sich nicht mehr Männer infizieren, wenn sie glauben, dass sie die PrEP bekommen und kein Placebo?

In der ausführlichen Beratung wird den Männern klargemacht, dass sie nicht davon ausgehen können, die Wirksubstanz zu erhalten. In allen bisherigen Präventionsstudien führte die regelmäßige Beratung dazu, dass die Teilnehmer in beiden Studienarmen (Wirkstoff und Placebo) ihre Risiken reduzierten. Dadurch infizierten sich deutlich weniger Menschen als außerhalb der Studie (bzw. vor Eintritt in die Studie).

Welchen Nutzen hat der einzelne Teilnehmer, wenn er nicht weiß, ob er nur ein Placebo erhält?

Alle Teilnehmer erhalten im Prinzip ein Programm wie in einer idealen Community-Testeinrichtung – und damit eine deutlich bessere Versorgung als außerhalb der Studie: Ausführliche Beratungen, kostenlose Checks alle zwei Monate und Behandlung von sexuell übertragbaren Infektionen, HIV-Tests, bei Bedarf eine HIV-PEP, Impfungen.

Welchen Nutzen hat die Community?

Der Aufbau der Studieneinrichtungen kann im Sinne von „Capacity Building“ für weitere Forschung und Prävention genutzt werden. Es handelt sich um communitynahe Einrichtungen, wie es zum Beispiel die GUM Clinics in Großbritannien sind – auch mit verlängerten Öffnungszeiten. Wenn sich die intensiven Beratungen und STI-Checks als präventiv wirksam herausstellen (wie das in bisher allen Präventionsstudien war), ist dies ein Argument, ein solches Angebot auch in einer Stadt wie Berlin weiter ausbauen zu können.

Was passiert bei Studienende?

Wenn die PrEP eine Schutzwirkung zeigt, erhalten alle Teilnehmer (PrEP-Arm und Placebo-Arm) das Angebot, für zwei Jahre die PrEP anlassbezogen durchzuführen. Die Teilnehmer wissen dann, dass sie Truvada einnehmen, einen Placebo-Arm gibt es nicht mehr. Mit diesem Follow-up kann man klären, ob mit dem Wissen, nun die PrEP einzunehmen, mehr Risiken eingegangen werden – und ob die PrEP auch unter diesen realistischeren Bedingungen einen Schutzeffekt bietet.

Welche Strukturen gibt es?

Die Beratung der Teilnehmer soll durch qualifiziertes Personal aus communitynahen Einrichtungen erfolgen. Dies könnte zum Beispiel eine Aidshilfe oder eine Schwulenberatung sein.

Das Scientific Board der Studie besteht neben Studienleitung auch aus Vertretern der Community und von NGOs (Partner der IPERGAY-Studie).

Zusätzlich gibt es ein Community Advisory Board (hier können auch Personen oder Institutionen teilnehmen, die nicht Partner der Studie sind, zum Beispiel Act Up.

Es gibt regelmäßige Treffen der Studienleiter mit Teilnehmern der Studie (Fragen, Diskussionen).

Wer finanziert Ipergay?

Die Studie wird die französische HIV- und Hepatitis-Forschungseinrichtung ARNS finanziert. Die Studienmedikation (Truvada und Placebo) wird –wie in allen PrEP-Studien – von der Firma (Gilead) kostenlos zur Verfügung gestellt. Das Unternehmen hat dabei –wie in allen PrEP-Studien – keinen Einfluss auf Studiendesign, Durchführung und Auswertung.

 

Weitere Informationen

Offizielle Seite der IPERGAY-Studie: http://www.ipergay.fr/

Englischsprachige Website von IPERGAY Montreal: http://www.ipergaymtl.com/en/home.html

 

Bisher in dieser Reihe erschienen:

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