Trans*Positive

„Es sind die Details, die den Unterschied machen“

Von Gastbeitrag
Trans*- und Inter*Menschen werden häufig übersehen – auch im Aidshilfe-Kontext. Marek Sancho Höhne, Trans*Aktivist und wissenschaftlich tätig, erklärt im Gespräch, was dagegen zu unternehmen ist.

Marek, du forderst extra Angebote für Trans*Menschen mit HIV. Ist das nicht etwas sehr speziell?

Absolut! Aber genau darum geht es ja. Wenn sich HIV-positive Trans*Menschen vernetzen und austauschen wollen, ist das eigentlich kaum möglich. Es gibt für sie weder feste Strukturen noch ausreichende Beratungs- und Präventionsangebote zu HIV im Trans*Kontext. Lediglich 2014 wurde bei den „Positiven Begegnungen“ in Kassel zum ersten Mal ein zweistündiger Workshop eigens für Trans*Positive angeboten, den ich zusammen mit Valentin Emerson, Till Hallermann und DAH-Referentin Carolin Vierneisel geleitet habe.

Das war es dann aber auch. Und das wollen wir – wie andere Aktivist_innen auch – jetzt endlich ändern! Denn diejenigen, die in Kassel dabei waren, haben uns ziemlich deutlich gemacht, dass es einen Bedarf an mehr und regelmäßigem Austausch gibt.

Was unterscheidet denn Trans*Positive von anderen Positiven?

Gemeinsam ist uns allen natürlich die HIV-Erkrankung. Doch Trans*Positive befinden sich in der Selbsthilfe- und Aufklärungsarbeit, auch bei den Aidshilfen, oft außerhalb des Radars.

„Oft außerhalb des Radars“

Viele haben das Gefühl, dass sich die meisten Angebote für HIV-Positive gar nicht an sie, sondern vor allem an schwule Männer richten. Die Veranstaltungen selbst und die Orte, an denen sie stattfinden, wie auch die Beratungsstellen und HIV-Testprojekte sind in der Regel binär gegendert, also nur auf Männer und Frauen ausgerichtet. Das reicht von Fragebögen über Beschriftungen bis hin zu den Toiletten.

Trans*Menschen werden demnach übersehen – sie sind schlicht unsichtbar.

Genau. Eine trans*spezifische und trans*sensible Auseinandersetzung wird auf diese Weise erschwert. Sie ist aber für Trans*Menschen wichtig, um sich ernst genommen zu fühlen.

Es sind eben die Details, die hier den Unterschied machen. Und davon gibt es einige. Oft haben Trans*- und Inter*Personen einen anderen Umgang mit Körperlichkeit, was Teile ihres Körpers wie auch ihre Sexualität angeht. Auch stellen sich für Trans*Positive andere medizinische Fragen, zum Beispiel, wenn Hormone im Spiel sind oder Operationen anstehen. Hinzu kommt, dass Trans*Menschen auch unabhängig von HIV sehr häufig diskriminiert werden und Gewalt erleben.

„Ein anderer Umgang mit Körperlichkeit“

In der ersten Dezemberhälfte hätte es im Waldschlösschen ein Wochenendtreffen mit dem Titel „Trans*Positiv – Empowerment und Vernetzung“ geben sollen. Das Treffen musste leider abgesagt werden, weil sich zu wenige Trans*Menschen dafür angemeldet hatten. Was hätte die Teilnehmer_innen im Waldschlösschen denn erwartet?

Geplant war, dass ich das Treffen zusammen mit Valentin Emerson leite. Wir beide sind erfahren in Sachen Trans*Sensibilisierung in verschiedenen Kontexten, aber auch in der Leitung von Workshops. Diese Expertise, die wir ja auch schon bei den „Positiven Begegnungen“ eingebracht hatten, wollten wir jetzt ein ganzes Wochenende lang nutzen.

Wir hatten gezielt HIV-positive Trans*Menschen angesprochen. Im Waldschlösschen hätte es die Möglichkeit gegeben, sich in einem geschützten Raum kennenzulernen, sich auszutauschen und über die eigenen, ganz spezifischen Erfahrungen und Bedürfnisse zu sprechen. Wir hatten ja schon in unserem Workshop bei den letztjährigen Positiven Begegnungen festgestellt, wie groß der Redebedarf ist.

Was glaubst du, warum sich nur so wenige für das Treffen angemeldet haben?

Dafür gibt es verschieden Gründe. Einer ist die Vereinzelung, die es erschwert, Trans*Menschen zu erreichen. Weil sie bislang nicht als eine eigene Gruppe organisiert sind, sind sie vermutlich weniger in Selbsthilfestrukturen eingebunden, über die man sie mit Informationen versorgen könnte. Vielleicht suchen sie auch noch nicht aktiv nach Angeboten speziell für sie, weil es diese bisher so gut wie nicht gegeben hat.

Ein weiteres Problem könnte gewesen sein, dass die Anmeldung zu dem Wochenendtreffen ein doppeltes Outing – als Trans*Personen und als HIV-Positive – bedeutet hätte. Wir haben bei der Konzeption zu wenig bedacht, dass sie bisher ja kein Empowerment durch eine unterstützende Community erfahren haben und ein doppeltes Outing daher eine große Hürde für sie sein könnte.

Möglich ist ebenso, dass ein Treffen über ein ganzes Wochenende für manche aufgrund einer starken biografischen Belastung und mangels Ressourcen zu viel war. Und vielleicht lag es einfach auch am Termin: Zum Jahresende haben viele Leute ohnehin Stress und keine Zeit für zusätzliche Dinge.

„Uns geht es darum, das Thema ‚Trans*‘ langfristig zu verankern“

Das Wochenende im Waldschlösschen war sicherlich nicht als einmalige Aktion gedacht.

Nein, natürlich nicht. Uns geht es ja darum, das Thema „Trans*“ langfristig zu verankern, uns untereinander zu vernetzen und lokale Ansprechpartner_innen zu stärken. Wir müssen überlegen, wie wir unsere Arbeit verstetigen können: Welche Strukturen gibt es schon, die wir nutzen können, und welche wollen oder müssen wir schaffen? Wie wollen wir das Thema „Trans* und HIV“ weiterbehandeln? Dabei wird es sicherlich auch notwendig sein, die bestehenden Beratungseinrichtungen und die Aidshilfen stärker zu sensibilisieren und mit ins Boot zu holen, damit Trans*Fragen und -Aspekte stärker berücksichtigt werden. Nur so können auch HIV-positive Trans*Menschen erreicht werden.

Und wie wollt ihr nun weitermachen? Möchtet ihr das Treffen im Waldschlösschen noch einmal anbieten – in der Hoffnung auf rege Teilnahme?

Unbedingt. Zugleich überlegen wir, wie man für Trans*Menschen die Hürden senken kann, um in den lokalen (Selbst-)Hilfestrukturen mitzuwirken oder sich dort als eigene Gruppe zu organisieren. Gebraucht würde ebenso ein Angebot, das die Trans*Selbsthilfe und Trans*Aktivist_innen für das Leben mit HIV und STIs sensibilisiert.

Hoffnung auf stärker sichtbare Inklusion

Was das Waldschlösschen-Treffen angeht, ist allerdings die Finanzierung noch offen. Da es praktisch keine Zahlen zu HIV-Infektionen bei Trans*Personen gibt, ist es nicht so einfach, Geldgebende von der Notwendigkeit solcher Veranstaltungen zu überzeugen. Aber wir sind zuversichtlich. Auf jeden Fall wird es auch bei den „Positiven Begegnungen 2016“ ein Angebot für Trans*Positive geben.

Ein_e Teilnehmer_in, die schon letztes Jahr an unserem Workshop teilgenommen hat, ist an den Vorbereitungen der PoBe 2016 beteiligt. Wir hoffen deshalb, dass die Inklusion von Trans*- und Inter*Menschen bei den nächsten „Positiven Begegnungen“ schon viel stärker sichtbar sein wird.

Marek, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Stephan Kolbe

 

 

 

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