HIV-TESTWOCHE

Julian macht den Test – Teil 2

Von Gastbeitrag
Die Europäische Testwoche 2014 vom 21.–28.11. hat Julian Fricker zum Anlass genommen, sich wieder mal auf HIV testen zu lassen. Im zweiten Teil seines Berichts erzählt er, wie es ihm beim Test und beim Warten auf das Ergebnis ergangen ist.

Ich sitze hier im Mann-O-Meter in Berlin-Schöneberg. Zweimal in der Woche kann man sich hier mit einem Schnelltest anonym auf HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen (STIs) untersuchen lassen. Die erste Hürde auf dem Weg zum Test ist bereits überwunden: Ich habe den Fragebogen nach bestem Wissen und manchmal auch mit etwas schlechtem Gewissen ausgefüllt. Jetzt warte ich darauf, dass man mich für die Blutabnahme aufruft. Hier bin ich nicht Julian, sondern nur eine Nummer. „Die 4820 2263, bitte!“, höre ich jemanden ausrufen. Das bin ich!

Nach einem kurzem Händedruck des Beraters geht es in ein Kämmerchen zur Besprechung meines ausgefüllten Fragebogens. Meine anfängliche Angst, dass ich mich nun für alles rechtfertigen müsse, bestätigt sich nicht. Aber es gibt Nachfragen. „Bei Männern – ob schwul oder nicht – besteht eine hohe Bereitschaft, sich zu öffnen. Wenn man sie einfach mal fragt, dann kommt auch was“, sagt Marcus Behrens, Diplompsychologe und fachlicher Leiter von Mann-O-Meter.

„Wörter wie Schwanz, Arsch und Ficken fallen ziemlich oft

Also los: Ob ich denn schon ungeschützten Sex gehabt hätte und wenn ja, ob mir das Risiko bewusst gewesen sei. Wörter wie Schwanz, Arsch und Ficken fallen ziemlich oft. Da wäre jeder amerikanische Fernsehsender schon längst vor lauter Zensurpiepen an seine Grenzen gekommen. Bei dem Gedanken daran muss ich mir ein Lachen verkneifen.

Der Leiter von Mann-O-Meter kennt aus seinem Beratungsalltag die Probleme mit Safer Sex. Häufig seien praktische Fragen zu Kondomen oder Gleitgel. Neben dem Tipp „kein Gleitgel auf den Schwanz, bevor das Kondom übergerollt wird“ (dann rutscht der Gummi nämlich ziemlich sicher ab) scheitere es manchmal bereits daran, dass Kondome nicht immer sofort griffbereit sind. Dann gebe es eine Unterbrechung, und die Geilheit gehe vielleicht flöten. Der Tipp des Diplompsychologen: sich zu Hause beim Masturbieren selbst unterbrechen und den routinierten Umgang mit dem Pariser erlernen. „Einige Kondome sind wie Fahrradschläuche. Das tut weh und ziept. Probiert verschiedene Kondome aus“, rät Marcus Behrens.

„Das Laufen auf hohen Hacken ist weitaus schmerzhafter“

Nach dem Gespräch mit dem Berater geht’s zum Doc. „Ich kann kein Blut sehen, ich fange an zu schwitzen und kippe dann auch mal einfach um.“ Das alles sprudelt wie auswendig gelernt aus mir heraus, noch bevor ich auf dem Stuhl Platz genommen habe. Warum ich das so genau wisse, fragt der Doc. „Weil ich das alles schon erlebt habe“, sage ich. Der Arzt meint, ich solle einfach nicht hinschauen. Gesagt, getan. Ein kleiner Pieks – dann ist alles vorbei. Da ist das Laufen auf hohen Hacken weitaus schmerzhafter. Das kenne ich nämlich auch. Schöne Venen hätte ich, meint der Doc zum Schluss.

Jetzt muss ich im Wartezimmer mit dem Finger auf die Einstichstelle an meinem Arm drücken, damit kein blauer Fleck entsteht. Eine halbe Stunde warte ich, bis ich das Testergebnis kriege, das Auskunft darüber gibt, wie mein HIV-Status zwölf Wochen vor dem Test aussah. Dreißig Minuten können ganz schön lang sein. Ich sitze da, drehe Däumchen. Die Zeiger der Uhr drehen sich langsamer als sonst. Ich blättere die neueste „Siegessäule“ durch. Aber ich lese nicht, was da steht, es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren. Ich gucke wieder auf die Uhr. Dann versuche ich, mich mit dem Treiben im Aufenthaltsraum abzulenken. Klappt auch nur mäßig. Und irgendwann kommt auch noch die Frage auf: „Was wäre, wenn der Test positiv ausfiele?“

Endlich! Da kommt der Berater auf mich zu. Mein Herz schlägt jetzt deutlich schneller, und ich habe schwitzende Hände. Ich versuche, aus seinem Gesichtsausdruck ein Ergebnis abzulesen. „Negativ“, sagt der Berater. Ich brauche eine Sekunde, bis das in meinem Hirn angekommen ist. „Also alles gut?“, versichere ich mich nochmals. „Ja, alles gut!“

Ich bin erleichtert und froh, Klarheit über meinen HIV-Status zu haben. Und ich nehme mir fest vor, die Empfehlung der Deutschen AIDS-Hilfe zu beherzigen: Jeder Schwule sollte mindestens einmal im Jahr einen HIV-Test machen.
Julian macht den Test – Teil 1

 

 

 

 

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