„Dass die überhaupt frei rumlaufen darf. So was gehört doch weggesperrt.“ – Fiese Sprüche dieser Art musste sich die 19-jährige Micki in der Schule anhören, nachdem ihre HIV-Infektion bekannt geworden ist. Seit März verfolgen die Zuschauer des Daily Dramas „Unter uns“, wie sich das Leben der Serienfigur durch HIV verändert hat. Axel Schock hat sich darüber mit Barbara Süvern, Producerin der von Grundy UFA produzierten RTL-Serie, unterhalten.

Micki findet Trost bei einem Freund
Joy Lee Juana Abiola (rechts) spielt die HIV-positive Schülerin Micki (Foto: Grundy UFA/ Unter uns)

Storylines von täglichen Serien wie „Unter uns“ werden ja sehr langfristig und mit Kalkül konstruiert, um die Personen zu entwickeln und das Interesse der Zuschauer zu halten. Was hat sich das Autorenteam von einem Erzählstrang rund um HIV versprochen?

Grundsätzlich schauen wir natürlich, dass wir emotionale Höhen und Tiefen und entsprechende Fallhöhen bekommen, damit mit den Figuren auch etwas passiert und sich Geschichten mit Ecken und Kanten entwickeln können. Die Idee zu einer Geschichte rund um eine HIV-Infektion ergab sich Ende 2009, als wir uns entschieden hatten, verstärkt realitätsnahe Themen in die Serie einzubringen. Darüber hinaus sind wir uns als erfolgreiches Produktionsteam einer täglichen Serie unserer sozialen Verantwortung sehr bewusst: Wir erreichen ein Millionenpublikum. Täglich. Unsere Geschichten sind nicht selten ein Leitfaden für Jugendliche und junge Erwachsene, die eine Orientierung suchen, auch mit heiklen Themen umzugehen.

Stand von vornherein fest, in welcher Form dies in der Serie umgesetzt werden sollte?

Wir sind zunächst in die Recherche gegangen. Wir hatten deshalb beispielsweise Kontakt mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aufgenommen, am wichtigsten waren allerdings die Informationsabende mit der AIDS-Hilfe Köln und Bonn, die wir für unsere Autoren im Storydepartment organisiert haben. Wir wollten die Geschichte in jedem Fall so erzählen, dass sie nicht an der Realität vorbeigeht.  Erst dann haben wir überlegt, zu welcher Figur in unserem Ensemble die Geschichte am besten passen könnte.

Ausgewählt wurde Micki Fink, gespielt von Joy Lee Juana Abiola.

Wir haben uns unter anderem für Micki entschieden, weil wir die Geschichte auf jeden Fall mit einem jungen Charakter erzählen wollten, um auf diese Weise auch  Aufklärungsarbeit leisten zu können. Außerdem wussten wir, dass Joy schauspielerisch toll ist und über viele Facetten verfügt. Wir waren uns daher sicher, dass sie die Rolle so rüberbringen würde, wie wir es uns vorstellten. Wir hätten das Thema HIV und Aids natürlich auch anhand einer homosexuellen Figur behandeln können, aber das war uns zu naheliegend. Wir wollten daher einen anderen Weg gehen. Es ist eben keineswegs unüblich, dass sich auch junge Frauen anstecken.

Micki infiziert sich bei einem One-Night-Stand unter Drogeneinfluss mit einem Unbekannten auf dem Klo eines Nachtclubs. Von ihrer Infektion erfährt sie zufällig im Rahmen einer Blutspendeaktion in der Schule.

Uns war wichtig zu zeigen, dass Micki sich in einer Situation infiziert hat, die sehr viele selbst auch kennen – und dass vielen Zuschauerinnen Ähnliches passieren könnte.

Micki bei der HIV-Beratung
Micki sucht Hilfe bei einer Aids-Beratung (Foto: Grundy UFA/ Unter uns)

Hatte vielleicht auch der Medienwirbel um die No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa einen Anteil, daran, dass das Thema HIV nun bei „Unter uns“ Einzug gehalten hat?

Das war purer zeitlicher Zufall. Als damals der Fall in die Schlagzeilen geriet, waren wir bereits mittendrin in der Storyentwicklung. Er gab also keineswegs den Anstoß dazu, aber die ganze Debatte zeigt, wie wichtig es ist, dass man HIV und Aids immer wieder neu thematisiert.

Wenn man in den Einträgen in Internetforen zu „Unter uns“ herumstöbert, stößt man bisweilen auf recht heftige, ablehnende Reaktionen von Zuschauerinnen und Zuschauern. Wie schätzen Sie selbst die Resonanz ein?

Es gibt in der Tat auch sehr unqualifizierte Äußerungen in diesen Foren, aber in der Mehrheit erleben wir doch eine sehr intensive, ernsthafte Auseinandersetzung. Wir hatten vor einigen Monaten auch das Problem der häuslichen Gewalt behandelt. Diese Zuwendung zu solch sozialen dramatischen Themen war eine bewusste Entscheidung. Die Zuschauer haben das gut angenommen. Die Geschichten sind deshalb so nah an der Realität, weil wir immer wieder ausführlich recherchieren. Und das erkennt der Zuschauer.  Gleichwohl wird eine Geschichte wie die von Mickis HIV-Infektion natürlich auch als düster wahrgenommen, das ist schon klar.

Welches Schicksal haben Sie Micki langfristig denn zugedacht? Das der mutigen Lebensheldin oder des bedauernswerten Opfers?

Wir haben die Figur fast alle Stationen durchlaufen lassen – angefangen mit der Mitteilung des Testergebnisses nach der Blutspende. Micki hat sich erst einmal zurückgezogen und mit niemandem darüber geredet. Unsere Gesprächspartner bei der AIDS-Hilfe Köln und Bonn berichteten uns, dass manche HIV-Positive ihren Status ein Leben lang ganz für sich behalten. Andere wiederum gehen total offen damit um. Nach dieser Phase der Verdrängung und Isolation folgte bei Micki die Auseinandersetzung mit ihrem Freund über ihre Infektion: Soll sie es ihm sagen, wie wird er reagieren? Wir ließen sie Schritt für Schritt mit ihrer Infektion öffentlicher umgehen.

Wie reagiert im Falle von Micki die Umwelt?

Micki geht ja noch in die Schule und wird dort zunächst auch gemobbt. Auf dem Mädchenklo hat beispielsweise jemand „HIV-Hure“ auf den Spiegel geschmiert. Aber Micki lässt sich nicht unterkriegen. Jetzt ist die Figur an einem Punkt, an dem sie für sich die Stärke aufgebaut hat, um ganz klar für sich sagen zu können: „Ich habe die Krankheit und ich kann damit leben.“

Wo sind die Grenzen dessen, was Sie Ihren Zuschauern in einem Daily Drama am Nachmittag zumuten können?

Wir sprachen ja bereits über die soziale Verantwortung, die wir gegenüber dem Zuschauer haben, und auch darüber, dass wir nah an der Realität erzählen wollen. Nun dürfen wir aber nicht vergessen, dass wir unsere Zuschauer auch unterhalten möchten und wir hier die Geschichte eines starken Mädchens erzählen, das mit der Krankheit zu leben lernt und dadurch ein Vorbild sein kann.

„Unter uns“ wird montags bis freitags um 17.30 Uhr auf RTL ausgestrahlt.

Offizielle Website: http://www.rtl.de/cms/sendungen/unter-uns

 

Bei der südafrikanischen TV-Serie „Soul City“ steht Aufklärung über HIV im Mittelpunkt. Lesen Sie dazu unseren Blogbeitrag „Das etwas andere Bildungsfernsehen“.

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

1 Kommentar

  1. Es gibt in der Tat auch sehr unqualifizierte Äußerungen in diesen Foren, aber in der Mehrheit erleben wir doch eine sehr intensive, ernsthafte Auseinandersetzung.

    diese Aussage ist nichts weiter als eine reine Schutzbehauptung . . .

    http://www.endlich-mal-was-positives.de/2010/08/22/kannitverstan-oder-es-ist-schon-bemerkenswert/

    http://alivenkickn.wordpress.com/2011/06/06/danni-lowinski-2-staffel-episode-25-falsche-wahl-verheerende-botschaft/

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