In einem Park der Großstadt Kempton Park unweit von Johannesburg arbeiten Dutzende Sexarbeiterinnen. Die Gegend gilt wegen nigerianischer Gangs als sehr gefährlich. Die Polizei kommt nur, wenn es unbedingt notwendig ist.

Die Arbeitsbedingungen der Frauen sind katastrophal. Sie verdienen wesentlich weniger als ihre Kolleginnen, die feste Zimmer in Bordellen anmieten. Fast täglich müssen sie Erniedrigung und Gewalt ertragen.

Kempton Park: eine gefährliche Gegend

Dienstleistungen wie etwa medizinische Versorgung sind für sie kaum erreichbar. Viele der im Park arbeitenden Frauen werden in einer Container-Klinik der North Star Alliance behandelt, aber diese liegt weit entfernt auf der anderen Seite der Stadt. Die Ärzte und Angestellten der Klinik schätzen, dass circa 60 Prozent der Frauen in dem Park mit HIV infiziert sind.

 

Sexarbeiterin in Kempton ParkMercy Moyo

„Ich war sehr krank und hatte nur sehr wenige Kunden. Ich sah so schrecklich aus, dass ich nicht in die Hostels gelassen wurde, wo man ein Zimmer für 15 Minuten buchen kann. Eines Tages hatte ich kein Geld mehr. Ich verbrachte drei Tage und Nächte im Park und hatte nichts zu essen und zu trinken. Ich dachte, ich würde sterben. Ein alter Kunde von mir sah mich und gab mir 100 Rand. Damit konnte ich mir etwas zu essen kaufen und mit dem Bus zur Klinik der North Star Alliance fahren. Schwester Rosina hat mich untersucht. Ich hatte HIV. Das zweite Mal, als ich in die Klinik ging, gaben sie mir Tabletten. Jetzt geht es mir besser.“

 

Chipo Gumbo, Sexarbeiterin in Kempton ParkChipo Gumbo

„Meine Familie lebt in Simbabwe. Dort gibt es keine Arbeit mehr. Ich schicke ihnen das Geld, das ich hier verdiene. Jedes Jahr fahre ich einmal zu Besuch dorthin. Noch drei Jahre. Dann werde ich mit dieser Arbeit aufhören. Dann werde ich zurück nach Hause gehen.

Meine Tochter ist acht Monate alt. Sie lebt bei mir. Ich tu alles für sie. Wer der Vater ist, weiß ich, aber er kümmert sich nicht um sie. Das möchte ich auch nicht. Ich sorge für sie, das ist besser. Es wäre gut, wenn ihr Vater sie unterstützen würde, aber ich glaube, dass er sich nicht um sie schert. Ich spare so viel Geld wie nur möglich. Jeden Monat etwas. Ich tu das für meine Tochter. Ich möchte, dass sie zur Schule geht und einen guten Job bekommt.“

 

Mavis Magena, Sexarbeiterin in Kempton ParkMavis Magena

Sie gibt eine lustige, verrückte, merkwürdige, aber sehr informative Performance über das Geld, das die Frauen mit ihrer Arbeit verdienen.

„Ich erzähle dir, was wir machen.

Für 50 Rand kannst du das Ding hier reinstecken… aber ohne Anfassen.

Für 70 Rand kannst du unsere Brüste anfassen… Aber Vorsicht, nur sanft!

Für 100 Rand kannst du auf uns drauf liegen… wenn du sauber bist.

Wenn die Männer in meinem Mund kommen möchten, müssen sie extra bezahlen, das kostet viel mehr.

Und wir küssen nicht. Kein Kuss, Kuss, Kuss. Nur wenn sie mich lieben und mir ein Haus oder ein neues Kleid kaufen, dann können sie mich küssen. Aber das kommt nicht vor.“

Alle in der Gruppe lachen laut los.

 

Zanele Ncube, Sexarbeiterin in Kempton ParkZanele Ncube

„Ich habe HIV, bin aber gesund. Ich nehme täglich meine Pillen. Das sieht man an meiner Haut. Ich habe eine tolle Haut.

Meine Haut sieht immer noch schön aus.

Ich habe zwei Töchter. Eine ist sieben und eine ist vier. Sie wohnen bei meiner Schwester in Simbabwe. Es geht ihnen gut. In drei Monaten werde ich sie wiedersehen.

Ich möchte hier zwei Jahre lang arbeiten. Dann habe ich genug Geld, um mein eigenes Geschäft aufzumachen. Ich weiß noch nicht genau, was für ein Geschäft, aber ein Geschäft für Frauen. Etwas mit Lebensmitteln vielleicht oder Make-up.“

 

Text: Erwin Kokkelkoren

Fotos: Erik Smits

Übersetzung: Agentur MacFarlane

Der Beitrag erschien zuerst auf atlas2018.org. Auf der Website zum Projekt „ATLAS2018“ erzählen die niederländischen Künstler Erwin Kokkelkoren und Bert Oele die Geschichten von Menschen mit HIV aus aller Welt (wir berichteten auf magazin.hiv). Die Porträts und Interviews werden zur Welt-Aids-Konferenz in Amsterdam präsentiert (23.–27. Juli 2018).

Eine Auswahl stellen wir hier vor und danken Erwin Kokkelkoren und Bert Oele für das Recht zur Zweitveröffentlichung. Bisher erschienen sind

Männergespräch über HIV: Moses aus Simbabwe (Südafrika)

Truck Stop Pomona: Fernfahrer, Prostituierte und HIV (Südafrika)

Leben mit HIV in Suriname (Ethel, Jennifer, Frau Malats, Richard)

HIV mit 16 – ist das ein Witz?! (Alexej, Russland)

Ich liebe meinen Vater sehr“ (Herr Kachidza und Enock, Sambia)

Wir können Aids besiegen“ (Carsten Schatz, Deutschland)

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