Jahresrückblick 2019: Jubiläen, wegweisende Urteile und andere Meilensteine
Januar
PrEP: Als erste gesetzliche Krankenkasse übernimmt die DAK für ihre Versicherten rückwirkend zum 1. Januar die Kosten für die Prä-Expositions-Prophylaxe für Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko – noch bevor die PrEP allgemeine Kassenleistung wird.
Februar
Rechte für Intersexuelle: Das Europäische Parlament nimmt die erste Resolution zu den Menschenrechten von intergeschlechtlichen Personen an. Darin werden die EU-Mitgliedstaaten unter anderem aufgefordert, intergeschlechtliche Menschen besser vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen und Zwangsoperationen zu verbieten.
März
Gesetzeshüter_innen fordern Entkriminalisierung von Drogengebraucher_innen: In einem Offenen Brief an Bundestagsabgeordnete fordert die drogenpolitische Organisation LEAP Deutschland, in der sich Gesetzeshüter_innen und Richter_innen zusammengeschlossen haben, auf eine neue Drogenpolitik und eine Überprüfung des Drogenstrafrechts.
Weitere HIV-Heilungen: In Großbritannien gilt ein Mann nach einer Stammzelltransplantation im Rahmen seiner Krebs-Therapie als HIV-frei. Auch in Düsseldorf gelingt diese sehr spezielle Behandlungsmethode.
April
Chemsex: Der problematische Konsum von Drogen wie Crystal Meth und GHB im sexuellen Kontext stellt nicht nur für die schwule Community, sondern auch für Beratungseinrichtungen eine Herausforderung dar. Das Dossier „Chemsex“ auf magazin.hiv beleuchtet das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Beim 2. Europäischen Chemsex Forum in Berlin und auf dem Chemsex Forum Paris diskutierten Expert_innen auf nationaler und europaweiter Ebene Möglichkeiten der Prävention und Unterstützung.
Mai
„S.A.M – Mein Heimtest“: Die erste Zwischenbilanz des bayerischen Pilotprojektes erfüllt alle Erwartungen. Der Einsendetest auf HIV und Geschlechtskrankheiten spricht viele bislang nicht erreichte Zielgruppen an und senkt Hemmschwellen. Das Testangebot soll daher verlängert und auf Bundesebene ausgeweitet werden.
Der JES-Bundesverband feiert Geburtstag: Seit 30 Jahren setzt sich das Selbsthilfenetzwerk JES (Junkies, Ehemalige und Substituierte) für die Interessen, Bedürfnisse und Rechte drogengebrauchender Menschen ein – und ist in dieser Zeit in Politik und Prävention zur weithin respektierten Stimme der Selbstorganisation geworden.
Enttäuschender Reformvorschlag: Eine Neuregelung des sogenannten Transsexuellengesetzes (TSG) sollte es Menschen eigentlich einfacher machen, ihren Namen und Personenstand zu ändern. Doch der Entwurf löst Empörung und Verletzungen aus – und wird nach Protesten dem Kabinett gar nicht erst vorgelegt.
Juni
Gen-Manipulation: Der wissenschaftliche Tabubruch in China, bei dem das Erbgut von Zwillingen verändert wurde, hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Nun zeigt sich: Die Babys ohne CCR5-Rezeptor sind wohl vor HIV geschützt, haben aber gesundheitliche Nachteile und eine kürzere Lebenserwartung.
50 Jahre Stonewall: Im Juni 1969 wehren sich in der New Yorker Christoper Street Schwule, Lesben, Drag Queens und trans* Menschen gegen Polizeigewalt. Ihr Aufstand markiert den Beginn der LGBT-Emanzipationsbewegung nicht nur in den USA – und wird im Jubiläumsjahr weltweit gefeiert.
Umstrittenes Verbot: Ein Berliner Gericht verurteilt zwei Frauenärztinnen nach Paragraf 219a wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche – und erntet Protest, unter anderem vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, in dem auch die Deutsche Aidshilfe Mitglied ist.
Juli
Wegweisendes Urteil: Das Verwaltungsgericht Hannover entscheidet, dass ein Polizeikommissar-Anwärter nicht allein wegen seiner HIV-Infektion abgelehnt werden darf. Das Urteil besagt, dass Menschen mit HIV unter Therapie kein Risiko für Dritte darstellen und auch hinsichtlich des Erreichens der Dienstaltersgrenze polizeidiensttauglich sind.
„Strich / Code / Move“: Mit einer Wagenburg aus fünf Lovemobilen, Performances, Ausstellungen und einer Demo wagen in Berlin Aktivist_innen den Brückenschlag zwischen Kunst und Politik und informieren über Sexarbeit und das Prostituiertenschutzgesetz.
August
International Overdose Awareness Day: 2018 starben in Deutschland 1.276 Menschen an den Folgen des Konsums illegalisierter Substanzen, 629 infolge von Opioid-Überdosierungen. Ein bundesweites Aktionsbündnis aus Fachverbänden, Patient_innenorganisationen und Vor-Ort-Einrichtungen nimmt deshalb erstmals auch hierzulande den International Overdose Awareness Day am 31. August zum Anlass, um über Notfallmaßnahmen zu informieren.
September
„Ein Meilenstein für die HIV-Prävention“: Seit dem 1. September ist die HIV-Prophylaxe PrEP eine reguläre Leistung der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Bei Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko übernehmen sie die Kosten für das Medikament und die erforderlichen Begleituntersuchungen.
Schwuler Sex und schwule Gesundheit in Zahlen: Die europaweite Studie EMIS 2017 liefert umfangreiche Daten zum Sexualverhalten und zur körperlichen und psychischen Gesundheit von rund 130.000 Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), aus 50 Ländern. Die Studie offenbart zum Teil große Wissens- und Präventionslücken und zeigt, dass sich Stigmatisierung und Diskriminierung negativ auf das psychische und körperliche Wohlbefinden von MSM auswirken.
Oktober
Generationswechsel im Waldschlösschen: Seit über drei Jahrzehnten ist Wolfgang Vorhagen eng mit der Aids- und Selbsthilfe-Bewegung verbunden, nicht zuletzt auch als Mitorganisator der bundesweiten Positiventreffen. Zum Abschied vom Tagungshaus Waldschlösschen gibt es für den frisch gebackenen Rentner ein herzliches Danke von Mitstreiter_innen und Weggefährt_innen!
Globaler Fond: In einem ermutigenden Zeichen internationaler Solidarität sagen die Geberländer auf der sechsten Auffüllungskonferenz des Globalen Fonds gegen Aids, Malaria und Tuberkulose umgerechnet rund 12,7 Milliarden Euro für die Jahre 2020 bis 2022 zu. Der Fonds hofft, mit den zugesagten Mitteln die Zahl der Todesopfer infolge der drei Krankheiten auf 1,3 Millionen im Jahr 2023 zu senken – von 4,1 Millionen im Jahr 2005 und 2,5 Millionen im Jahr 2017.
November
Unterstützung statt Sexkaufverbot: Mit einem gemeinsamen Positionspapier wenden sich Interessensverbände und Expert_innen gegen Pläne, das sogenannte nordische Modell auch in Deutschland einzuführen, also Käufer_innen sexueller Dienstleistungen strafrechtlich zu verfolgen. Die im Positionspapier zitierten internationalen Studien zeigen: Jede Form der Kriminalisierung der Prostitution schadet den Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind, anstatt sie zu schützen.
#wissenverdoppeln: HIV ist unter Therapie nicht übertragbar – diese Tatsache ist immer noch zu wenig bekannt. Rechtzeitig zum Welt-Aids-Tag startet die DAH deshalb eine Neuauflage der Kampagne #wissenverdoppeln. Zu den neuen Botschafter_innen gehört auch Pfarrer Dr. Feret Pokos. Auch wenn HIV und Aids oft als Tabu gelten, spricht er in seiner Gemeinde darüber: „Nur, wenn wir darüber reden, können wir Vorurteile abbauen“, sagt er.
Präventionserfolg: Die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland ist weiter rückläufig. Insbesondere bei Männern, die Sex mit Männern haben, sinkt die Zahl weiter. Das Robert-Koch-Institut führt diesen Erfolg unter anderem auf eine gestiegene Testbereitschaft sowie frühere Diagnosen und früher begonnene Behandlungen zurück, da HIV unter wirksamer Therapie sexuell nicht mehr übertragbar ist.
Hoher Besuch: Gunilla Carlsson, Vize-Direktorin des Aids-Programms der Vereinten Nationen (UNAIDS), würdigt in Berlin die DAH-Kampagne #wissenverdoppeln und besucht mit DAH-Geschäftsführerin Silke Klumb das neue inklusive- Test- und Versorgungszentrum Checkpoint BLN. Der Checkpoint bietet Beratung, Tests und Behandlung rund um HIV, Hepatitis und Geschlechtskrankheiten.
Dezember
HIV-Kombinationsmedikament TLD: Südafrika führt das HIV-Kombinationsmedikament TLD ein. Die Fixkombination der HIV-Wirkstoffe Tenofovir, Lamivudin und der relativ neuen Substanz Dolutegravir ist besser verträglich, wirksamer und vor allem günstiger und soll einen spürbaren Beitrag zur Eindämmung der HIV-Epidemie insbesondere in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen leisten.
Baden-Württembergs erster Drogenkonsumraum: Ein Kabinettsbeschluss der schwarz-grünen Regierung hat es möglich gemacht: Am Nikolaustag 2019 eröffnet in Karlsruhe die der erste Druckraum des Bundeslandes. In dem neuen Raum können Drogenkonsument_innen ihre mitgebrachten Substanzen wie Heroin und Kokain unter hygienischen Bedingungen konsumieren. Das soll Infektionen mit HIV oder Hepatitis verhindern. Die anwesenden Mitarbeiter_innen können zudem im Drogennotfall eingreifen und zum Beispiel bei lebensbedrohlichen Überdosierungen Leben retten.
Diesen Beitrag teilen