Unser Autor Torsten Nobir verbringt viel Zeit in Berliner Darkrooms. Dabei ist ihm aufgefallen: Es gibt Charaktere mit immer wiederkehrenden Verhaltensmustern. Diesmal schreibt er über den Hinhalter, der in vielen Darkrooms zu finden ist.

Torsten Nobir

Nach einem feucht-schönen, spät gewordenen Abend mit Freunden muss jetzt mitten in der Nacht dringend noch ein Schwanz her. Wer kennt es nicht? Der Gute-Nacht-Penis, der trotz oder wegen Volltrunkenheit zwingend für das Gleiten in eine geruhsame Nacht erforderlich ist. 

Zunächst könnte man meinen, der Darkroom hat von solchen Penissen zur Genüge, überfüllt von saftigen Schwänzen, die nur darauf warten, gemolken zu werden. Du spürst schon im Taxi auf dem Weg in den Irrgarten, deinen favorisierten Fickschuppen, den warmen Saft deinen Rachen entlang fließen, unzählige Schwänze reiben sich derweil durch dein Gesicht, schlingern an deinen Schultern entlang und spritzen dir unversehens übers Gesicht. Einer pisst dir ohne Vorwarnung über den Rücken, sein Strahl löst ein Epizentrum der Wärme zwischen den Schulterblättern aus und fließt in einen gelben Bach übergehend hinab zwischen deine beim Blasen alle Löcher öffnend gespreizte Pobacken. 

Im Darkroom angekommen oder eher in den Irrgarten hinein wankend, vorbei an den Theken-Gestalten, die dich, wenn sie geil aussehen, missachten, und bei Nicht-Gefallen anschmachten, hinab die mehrfach verspiegelte Höllentreppe, dein Schritt zuckt aus Vorfreude, leicht beschwitzt vom Vorsaft, der von vorn und hinten gleichermaßen schmiert, torkelst du letztlich ins dunkle Labyrinth.

Sie sind alle da, die Charaktere der dunklen Hinterzimmer und Keller: dein Gaydar hilft dir auch in diesem lichtkargen Durcheinander. Diesmal sind es die reflektierenden Echos blasbereiter Penisse, die dein zuverlässiges Ortungssystem ermitteln soll. Neben der Kabine, in der gleich einem Huhn im Bräter eingelegt, alle Gliedmaßen von sich gestreckt, dir der Vortex eines Sling-Anhängers entgegenstrahlt sowie neben der Liege, auf der jemand tut, als würde er bäuchlings schlafen, wobei der lüstern-nebenbei den Po in die Höhe reckt, befindet sich der Zugang zu einem etwas größer gefassten Raum, in dem mehrere Männer an der Wand sowie vereinzelt mittig stehen. Einer kniet bereit für Besamung in der Mitte.

Foto: Florian Hetz

Du witterst ihn sofort. Standfest, mit den Händen hinterm Rücken und denselben zur Wand lässt er sein fettes Ding in den Raum ragen. Der Hosenschlitz gerade genug geöffnet, um den dadurch umso praller wirkenden Sack als weiche Stütze, auf welcher der Ständer bequem in die Höhe ragen kann. Die Schritte dorthin, dass du dich überhaupt bewegt hast, ist dir entgangen, und schon schmiegen sich die Lippen um seinen Schwanz; du lässt auf deiner Zunge entlanggleiten vor und zurück. Es ist kein XXL-Teil aber doch von guter Größe – ganz drin und an die Rachenwand anschlagend bist du im Lutschwahn angelangt. 

Von der Seite spürt dein geschlossenes Auge einen vorsafttriefenden Blasanwärter anklopfen. Kurz wird er vom Mund umschlossen und angefeuchtet, dann ein bisschen gewichst, aber die Aufmerksamkeit gehört vorerst dem ersten Schwanz. Du bläst und bläst – und bläst. Den Kiefer muss mittlerweile wie bei einer Anakonda ausgehangen oder aber durch Überbeanspruchung irgendwie betäubt sein. Zwischendurch holst du ihm einen runter, schaust nach oben in sein ausdrucksloses Gesicht; sein Stöhnen gleicht dem abgeschmackten Röcheln aus schlechten Pornoproduktionen, das auf alles denn auf gewollten und geteilten Sexzess hinweist. 

Moment! Du erkennst ihn, du hast ihn schon oft gelutscht, wenn auch in anderer Ausführung. Es ist: der Hinhalter. Er schweigt. Meistens. Mechanische Stöhngeräusche entfahren ihm hier und da. Das „lutsch ihn“ zwischendurch hebt sich davon kaum ab. Ebenso umfangreich wie seine Geräuschvariationen sind, so mechanisch stößt er seinen Schwanz in deinen liebevoll als „Maulfotze“ bezeichneten Mund. Es vergehen gefühlt Stunden, in denen dein Unterkiefer schwerer und schwerer zu werden scheint. Manche seiner Robotergeräusche hören sich nach dem höhepunktversprechenden Anschwellen der Stimmlage und Höherfrequentierung der Atmung an und schon ist es… nicht so weit. 

Der Hinhalter ist dadurch gekennzeichnet, dass er niemals zum Höhepunkt kommt, er erscheint im Darkroom gegen 20 Uhr, also sobald dieser öffnet, und hält seine Dauerwurst bis zum bitteren Ende in die Höhe ohne jemals zu kommen. Es ist davon auszugehen, dass er in dieser Zeit auch nicht urinieren muss. Was will der Hinhalter? Die Lutschenden quälen, an sich binden und doch zum nächsten schwanzgeilen Luder wechseln, das sich ebenso lange wie jene davor abtun wird, ohne je das heiß ersehnte und wohl erlutschte Sekret im Maul zu haben?

Eins muss man dem Hinhalter aber lassen. Wenn man ihn frühzeitig erkannt hat, kann man sich an ihm schonmal warm blasen. Schließlich bringt man sich selber auf Touren und vor allem zeigt man ringsum gegenüber allen Anwesenden an: Ich lutsche gerne. Er hält also einfach hin, für dich, für mich, für alle – ein wahrlich solidarischer Darkroomcharakter.

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