Von Polizist*innen bis zu Rettungssanitäter*innen: Wer im Berufsalltag angespuckt oder sogar gebissen wird, befürchtet womöglich eine HIV-Übertragung. Wie groß ist die Gefahr wirklich, dabei mit HIV oder Hepatitis C infiziert zu werden?

Für die beiden Polizeibeamten war dies eigentlich ein Routineeinsatz: Ein Streit zwischen zwei Drogengebrauchenden war aus dem Ruder gelaufen. Doch der Versuch, die Situation zu beruhigen, scheiterte. Einer der beiden Streithähne verhielt sich nun auch gegenüber den Ordnungskräften aggressiv und spuckte einem der beiden Polizisten ins Gesicht.

Spuckattacken wie diese in einer süddeutschen Stadt oder auch Bissangriffe erleben Einsatzkräfte bei der Polizei, der Feuerwehr, der Rettungs- bzw. ärztlichen Notdienste immer wieder; insbesondere, wenn Menschen sich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden oder unter Alkohol- bzw. Drogeneinfluss stehen. Manche der betroffenen Einsatzkräfte treibt nach einem solchen Vorfall die Sorge um, dass sie dadurch wohlmöglich einem Infektionsrisiko ausgesetzt waren. Grelle Schlagzeilen in Boulevardmedien, aber auch fachlich unrichtige Texte auf Medizinratgeber-Webseiten schüren solche Ängste.

Wie gefährlich können Bisse wirklich sein?

Anders als bei Blut, Sperma und Scheidenflüssigkeit geht von Tränen, Speichel oder Schweiß keinerlei Gefahr für eine HIV-Übertragung aus.

„HIV und HCV allerdings lassen sich durch Küssen nicht übertragen, entsprechend schon gar nicht durch Anspucken“, betont Dr. Axel J. Schmidt, DAH-Fachreferent Medizin und Gesundheitspolitik. „Bei Menschenbissen kommt es in 20 bis 25 % der Fälle zu bakteriellen Infektionen, vor allem bei tiefen Wunden, sowie bei Bissverletzungen an Händen, im Gesicht oder den Genitalien“, erklärt Dr. Axel J. Schmidt. Anzeichen dafür könnten Rötungen, Schwellungen, eitrige Sekretionen und Schmerzen im Bereich der Bisswunde sowie allgemein Unwohlsein und Fieber sein.

„Viele Medien stellen Menschen mit HIV oder HCV gerne als ein Risiko für andere dar. Dabei ist es genau umgekehrt: Menschen mit Immunschwäche (z. B. durch HIV) oder mit chronischen Lebererkrankungen haben ein erhöhtes Risiko, dass eine Menschenbissverletzung sich bakteriell infiziert und der Heilungsprozess beeinträchtigt ist“, macht DAH-Medizinreferent Dr. Schmidt deutlich. Das Risiko einer HIV- und HCV-Übertragung durch Menschenbissverletzungen hingegen sei vernachlässigbar. Die Wahrscheinlichkeit liege bei unter 1 zu 10.000, sofern die HIV-Infektion der beißenden Person nicht behandelt wird.

Denkbar ist eine Infektion nur in einem sehr konstruierten und unwahrscheinlichen Szenario. Denn die angreifende Person mit Hepatitis C oder HIV müsste ausreichend infektiös sein (unbehandelte Infektion). Zudem müsste sie im Mundinnenraum eine stark blutende Wunde haben, und durch den Vorfall eine ausreichende Menge an Blut in die Bisswunde eindringen. Das HI-Virus wurde zwar in vielen Körperflüssigkeiten nachgewiesen, in einer für eine Übertragung ausreichenden Menge jedoch nur in Blut, Sperma und Scheiden- und Analflüssigkeit. Von anderen Körpersekreten wie Tränen, Speichel und Schweiß geht hingegen keinerlei Gefahr aus.


Schutzmaßnahmen und Nachsorge

Die Einsatzkräfte bei der Feuerwehr, der Polizei oder Rettungsdienst sind darüber hinaus verpflichtet, sich bei Haut-zu-Blut-Kontakten bzw. bei Erste-Hilfe-Einsätzen durch Handschuhe bzw. bei Wiederbelebungsmaßnahmen mit sogenannten Beatmungsmasken zu schützen. Gegen Infektionen mit Hepatis A und B kann man sich zudem impfen lassen. Polizeiärztliche Dienste, Feuerwehren und Rettungsdienste empfehlen diese Vorsichtsmaßnahmen daher ihren Mitarbeiter*innen, die bei ihrer Tätigkeit in entsprechende Situationen geraten könnten.

Viele Medien stellen Menschen mit HIV oder HCV als ein Risiko für andere dar. Dabei haben gerade diese Menschen ein erhöhtes Infektionsrisiko.

Doch was, wenn es zu einem realen Hepatitis-B-Infektionsrisiko kam, man aber noch nicht geimpft war? In solchen Fällen kann durch eine sogenannte Postexpositionsprophlaxe (PEP) – eine spezifische Hepatitis-B-Antikörper-Spritze ­– unmittelbar nach dem Vorfall das Risiko für eine tatsächliche Infektion verringert werden. Eine PEP-Behandlung ist auch nach einem konkreten und realistischen HIV-Infektionsrisiko möglich, etwa nach ungeschütztem Anal- oder Vaginalsex mit einer nachweislichen HIV-positiven Person, deren Viruslast nicht bereits durch eine Behandlung unter der Nachweisgrenze liegt.

Anders als z. B. die britischen oder schweizerischen PEP-Guidelines empfiehlt die Deutsch-Österreichische Leitlinie zur medikamentösen Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach HIV-Exposition eine HIV-PEP auch nach „tiefen blutigen Bissverletzungen durch eine nicht oder nicht ausreichend antiretroviral behandelte HIV-positive Person, die zum Zeitpunkt des Bisses selbst blutende Verletzungen im Mund aufweist (z. B. Zungenbiss bei epileptischem Anfall)“. Also auch hier ein wenig wahrscheinliches Szenario. „Die deutsche Abweichung geht vermutlich auf einen einzigen Fallbericht mit unzureichender Anamnese aus dem Jahre 2020 in Deutschland zurück“, erläutert Dr. Axel J. Schmidt.

Kommt es zum einfachen Hautkontakt mit Körperausscheidungen – seien es Kot, Urin, Erbrochenes, Tränen, Speichel oder Magensaft – besteht keinerlei Gefahr für eine HIV-Übertragung und damit keine Notwendigkeit einer PEP – selbst wenn die eigene Haut Kratzer oder kleine Verletzungen aufweist.

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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