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„Es kann wirklich jeden treffen“

Von Axel Schock
Magic Johnson im Anzug
Magic Johnson ist heute erfolgreicher Geschäftsmann und für die HIV/Aids-Aufklärung unterwegs (Foto: © Prince Marketing Group)
Vor 25 Jahren gab Basketball-Superstar Magic Johnson seine HIV-Infektion bekannt und veränderte damit die öffentliche Wahrnehmung der Immunschwächekrankheit.

Die Diagnose kam völlig unerwartet, ein Zufallsbefund. Bei einer Routineuntersuchung, wie sie für Lebensversicherungen verlangt werden, hatte man ungewöhnliche Blutwerte festgestellt. Nach Folgetests stand am 6. November 1991 das Resultat fest: Earvin „Magic“ Johnson, der US-amerikanische Basketball-Star, ist HIV-positiv.

Der damals 32-Jährige Nationalheld handelt schnell. Gleich am nächsten Tag lädt er zu einer von CNN live übertragenen Pressekonferenz ein. Die Aids-Aktivistin Elizabeth Glass hatte ihn davon überzeugt, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Ohne lange Vorrede beginnt er mit einem entspannt und sachlich vorgetragenen Statement: „Ich trage das HI-Virus in mir und trete deshalb von meiner Mannschaft, den Los Angeles Lakers, zurück. Ich möchte deutlich machen, dass ich nicht an Aids erkrankt, sondern lediglich mit HIV infiziert bin.“ Seiner Frau, fügt er zugleich hinzu, gehe es gut. Sie sei HIV-negativ.

Johnson schaffte in der Black Community ein Bewusstsein für HIV

Gerade einmal zehn Minuten dauerte diese Pressekonferenz, aber sie schaffte, was den Aids-Aufklärungskampagnen und Medienberichten in den Jahren zuvor nur bedingt gelungen war: das Thema HIV in die breite US-Gesellschaft zu tragen. HIV und Aids, das traf in den Augen vieler nur die „anderen“: Junkies, Prostituierte und Schwule – wie den Hollywoodstar Rock Hudson, dessen Aidserkrankung sechs Jahre zuvor Aufsehen erregt hatte.

Magic Johnson allerdings war eine Sportikone, mit der sich Menschen aus allen Gesellschaftsschichten identifizieren konnten, insbesondere in den Black- und Latino-Communities.

„Es kann wirklich jeden treffen. Ich habe nie mit einem Mann geschlafen“, sagte Johnson in seiner Erklärung. „Wir denken manchmal: ‚Mir wird das nie passieren.‘ Ich bin nun hier und sage: Es kann jedem passieren.“ Darauf, wie er sich infiziert hatte, ging er zunächst nicht genauer ein. Erst in einem späteren Interview berichtete er von zahlreichen sexuellen Begegnungen mit weiblichen Fans.

Die Nachricht von Johnsons HIV-Infektion zeigte unmittelbare Wirkung. Der landesweite HIV-Telefonberatungsdienst drohte unter dem Ansturm zusammenzubrechen, Testeinrichtungen wurden förmlich überrannt, und in den Drogeriemärkten waren Kondome ausverkauft.

Zugleich zeigte die Bevölkerung Mitgefühl für ihren Star: Vor dem Beginn eines Basketballspiels im New Yorker Madison Square Garden beteten die knapp 20.000 Zuschauer_innen für die Gesundheit des Sportidols.

„Er hatte die Wahrnehmung von HIV vollständig verändert“

„Er hatte die Wahrnehmung von HIV in den USA vollständig verändert“, beschreibt Phill Wilson, Leiter des Black AIDS Institutes in Los Angeles, die Auswirkungen von Johnsons HIV-Coming-out. Selbst der Aidstod des Tennisstars Arthur Ashe und der anderer prominenter Afro-Amerikaner_innen hatten nie nachhaltige Aufmerksamkeit in der Black Community bewirkt.

Magic Johnson zog sich nach dem TV-Interview komplett aus dem Sport zurück. Zum einen, um sich nun ganz auf seine Gesundheit konzentrieren zu können. Zum anderen, weil er ahnte, dass – trotz aller Solidaritätsbekundungen vieler Teamkollegen – Ängste und Ungewissheit stärker wären als ihr Mitgefühl.

Johnson war und blieb fit, sein Vermögen und gute Kontakte ermöglichten ihm bereits frühzeitig den Zugang zur Kombinationstherapie. Dennoch blieb ihm ein sportliches Comeback noch einige Jahre verwehrt.

Selbst nach dem Goldmedaillensieg bei den Olympischen Sommerspielen in Barcelona 1992, an denen er als Mitglied des nationalen „Dream Teams“ teilnahm, wurde seine Rückkehr zur US-Profiliga, der National Basketball Association (NBA), durch seinen Teamkollegen Karl Malone verhindert.

Johnson widmete sich umso mehr der HIV-und Aids-Aufklärung: Er veröffentlichte ein Buch über Safer Sex, gründete mit der Magic Johnson Foundation eine Stiftung für HIV-Prävention, wurde Sprecher der Vereinten Nationen und bemühte sich bei seinen zahllosen Auftritten rund um den Globus insbesondere darum, den Unterschied zwischen HIV und Aids zu erklären.

1992 berief ihn George W. Bush in die „National Commission on Aids“. Nach nur acht Monaten gab er das Amt wieder ab. Sein Vorwurf: Das Weiße Haus tue zu wenig gegen die Krankheit und die Diskriminierung von HIV-Positiven. „Ich kann nicht guten Gewissens weiterhin einer Kommission dienen, deren wichtige Arbeit von der Regierung völlig ignoriert wird“, begründete er unmissverständlich seinen Rücktritt.

Öffentliche Ohrfeige für George W. Bushs Aidspolitik

Johnson verfolgte fortan seine eigene Agenda und betrieb eine Art Graswurzel-Aufklärung, bei der er „von Häuserblock zu Häuserblock, von Gemeinde zu Gemeinde“ zog, wie er es formulierte.

Er hielt in Hunderten von Schulen Vorträge über Infektionsrisiken und Safer Sex, zudem besuchte er Kirchengemeinden, um deren Mitglieder zu bewegen, sich für HIV-Infizierte und Erkrankte einzusetzen. 2011 promotete er den damals neu zugelassenen HIV-Schnelltest für zu Hause.

Aus dem Spitzensportler war ein HIV-Aktivist geworden – und außerdem ein erfolgreicher Geschäftsmann. Über die Jahre baute er ein Geschäftsimperium auf, zu dem Immobilienfirmen, Restaurants, Multiplexkinos, drei Dutzend Starbucks-Cafés und sogar ein Plattenlabel gehören.

„Ich werde mein Leben dem Kampf gegen diese tödliche Diagnose widmen“, hatte Johnson bei seiner legendären Pressekonferenz 1991 angekündigt. „Wenn ich damals schon gewusst hätte, was ich heute weiß, dass ich nämlich noch Basketball hätte spielen können, wäre ich wahrscheinlich nicht zurückgetreten“, sagte Johnson 20 Jahre später in einem Interview. Dennoch blickte er nicht mit Bedauern auf diesen Abbruch seiner Karriere zurück: „Wir haben damals das Richtige getan.“

1994 kehrte Johnson für 32 Saisonspiele wieder zu den Los Angeles Lakers zurück, um sich dann endgültig vom Spielfeld zu verabschieden: „Ich höre nun auf meinen eigenen Entschluss hin auf, davon konnte 1992 bei meinem abgebrochenen Comeback nicht die Rede sein.“

Ein Kämpfer auch für die Rechte von Homosexuellen

Seinen Kampf gegen das Virus und gegen die Diskriminierung von Menschen mit HIV führt Magic Johnson dagegen weiter. 2008 setzte er sich zudem noch für ein ganz anderes Thema ein: Er engagierte sich gegen den kalifornischen Verfassungszusatz „Proposition 8“, mit dem gleichgeschlechtliche Ehen verboten werden sollten. „Es ist unfair und falsch, einzelne Bürger Kaliforniens anders zu behandeln – und damit auch Mitglieder meiner Familie, Freunde und Mitarbeiter“, begründete Johnson seinen Einsatz.

2013 suchte Magic Johnson erneut die Medien für eine sehr persönliche Mitteilung. „Unser Sohn Earvin Johnson III ist schwul“, ließ er die Fernsehzuschauer_innen wissen. „Wir lieben und unterstützen unseren Sohn“, sagte er im Gespräch mit dem CNN-Moderator Andrew Cooper, „aber ich weiß, dass wir in der afroamerikanischen Community eine Minderheit sind“.

Junge Schwule und Lesben hätten es dort schwer, von ihrer Familie akzeptiert zu werden, so Johnson. Mit diesem Schritt an die Öffentlichkeit erhoffte er sich auch diesmal, seine Botschaft in die Black Community hineintragen und nun eine größere Akzeptanz von Homosexuellen bewirken zu können: „Vor 20 Jahren war HIV vor allem eine Krankheit von weißen Schwulen. Ich wurde Teil ihres Kampfes, und sie haben Außerordentliches geleistet. Die Black Community kann viel von ihnen lernen.“

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