Die nordrhein-westfälische Polizei speichert in ihrem Auskunftssystem „POLAS NRW“ auch HIV- sowie Hepatitis B und C-Infektionen. Dies bestätigte Innenminister Ralf Jäger (SPD) in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN im NRW-Landtag und verteidigte diese Praxis. Demnach wurden 871 in der Datenbank gespeicherte Personen mit dem Merkmal „ANST“ für „ansteckend“ (gemeint ist HIV, Hepatitis B oder C infiziert) versehen.

„Weder moralisch noch aus Sicherheitsgründen ist die Speicherung so intimer Daten durch die Polizei zu rechtfertigen“, erklärt der innenpolitische Sprecher der NRW-LINKEN, Jasper Prigge. „HIV-Infizierte in Therapie sind nicht ansteckend. Diese Speicherung ist gesundheitspolitischer Quatsch.“

Das Argument der Eigensicherung von Polizisten sei vorgeschoben, so Prigge in einer Presseerklärung. „In Wirklichkeit geht es um Sammelwut und um einen kriminalisierenden Generalverdacht gegen Menschen mit sexuell übertragbaren Krankheiten.“ Die Etikettierung von Menschen mit HIV und Hepatitis in Polizeidatenbanken sei entwürdigend, die Daten müssten daher sofort gelöscht werden.

Die Deutsche AIDS-Hilfe sowie Datenschützer haben immer wieder gegen diese Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung protestiert, die nicht nur in NRW üblich ist. (aidshilfe.de 18.08.2015)

Der Nationale AIDS-Beirat  hat in einem kürzlich veröffentlichten Votum empfohlen, die Speicherung von Angaben zu Infektionen mit HIV sowie Hepatitis B und C in polizeilichen Datenbanken zu beenden, bereits im Vorjahr sprach sich die Mitgliederversammlung der Deutschen AIDS-Hilfe mit ihrer „Münchner Erklärung“ gegen diese kontraproduktive und stigmatisierende Praxis aus.

„Auch der Aidshilfe NRW ist daran gelegen, dass sich Menschen vor Ansteckungen mit HIV und Hepatitis schützen können“, erklärte gestern deren Sprecher Dr. Guido Schlimbach. Die Bezeichnung „ANST“ allerdings schützte nicht vor Infektionen, sie wiege Bedienstete lediglich in vermeintliche Sicherheit.

„Nicht das Wissen um mögliche Infektionsträger schützt, sondern das Wissen um das richtige Verhalten, sich vor einer Infektion zu schützen – und das bei jedem Menschen. Die Kennzeichnung von Menschen ist dabei eine absolute unwirksame und dazu noch stigmatisierende Strategie“, so Schlimbach.

Die  Aidshilfe NRW hat Innenminister Jäger bereits mehrfach zu einem Gespräch über dieses Thema eingeladen – bislang jedoch ohne Erfolg.

Sven Lehmann, Landesparteichef der nordrhein-westfälischen Grünen, hat indessen angekündigt, das Problem im Landtag gegenüber dem Innenminister zu thematisieren. „Menschen mit HIV oder Hepatitis dürfen nicht stigmatisiert werden – schon gar nicht durch polizeiliche Datensammelei“, erklärte er gegenüber queer.de. „Es ist aus Sicherheitsgründen unverständlich und völlig überflüssig, solch persönliche Daten zu speichern.“

(ascho)

Link zur kleinen Anfrage: Drucksache 16/12650
Link zur Antwort der Landesregierung: Drucksache 16/12796

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Axel Schock

Axel Schock, freier Autor und Journalist, schreibt seit 2010 Beiträge für aidshilfe.de und magazin.hiv.

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