Der Sucht-, HIV- und Hepatitis-Mediziner Dr. Jörg Gölz ist Ende Juni 2023 im Alter von fast 80 Jahren verstorben. Wir erinnern mit einem Gedenkbuch an ihn.

Dr. Jörg Gölz war Pionier einer akzeptierenden Sucht-, HIV- und Hepatitismedizin. Seinen Weg vom Anhänger des Abstinenz-Dogmas zu einem Vorreiter der Substitutionsbehandlung hat er 2011 im Beitrag „Ein kleines Mädchen bricht schulmedizinische Ideologie“ eindrücklich beschrieben.

Jörg Gölz war seit 1986 als Arzt in Berlin tätig und hat auch als langjähriges Mitglied im Vorstand der dagnä und der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin viel bewegt. Der Deutschen Aidshilfe und der Aidshilfearbeit war er dabei stets verbunden.

Wir sind diesem Aktivisten für Selbstbestimmung und Würde sehr dankbar und werden sein Andenken in Ehren halten.

Wer Bilder (nur mit Einverständnis der abgebildeten Person/en und Fotograf*innen-Angaben), Zitate von Jörg Gölz oder andere Erinnerungen teilen möchte, kann sich gerne an die Redaktion wenden (redaktion@dah.aidshilfe.de).

Gern verweisen wir auch auf den persönlichen Nachruf auf Jörg Gölz von Christoph Mayr und Hans Jäger auf der Homepage der dagnä.


Dr. med. Albrecht Ulmer

Er war einer der ganz Großen unter uns, vielleicht der genialste, umfassendste. Seine Anstöße haben die deutsche HIV- und Hepatitis-Medizin und besonders auch die Suchtmedizin über Jahrzehnte entscheidend mitgeprägt.

Es gibt nicht viele Ärzte, die sich gleichermaßen prominent auf HIV, Hepatitis und Suchtmedizin spezialisiert haben. Unter den wenigen war er der prominenteste und brillanteste. Er gehört zu den Menschen, bei denen man das Gefühl hat, ihnen mit keiner Beschreibung, keinem Nachruf gerecht werden zu können.

Das Wort brillant ist schon gefallen. Das war er. Er konnte formulieren wie kein zweiter, ob in Vorträgen, Reden, Diskussionen oder auch in seinen zahlreichen Publikationen. Eine schöne Kostprobe findet sich hier. Seine Bücher – sowohl zu HIV als auch zu Substitutionsbehandlungen – schafften es, Klassiker im Fachbuchmarkt zu werden und von großen Verlagen verlegt zu werden. Wer schafft das sonst als niedergelassener Allgemeinarzt? Niemand. Nur Jörg schaffte es wie selbstverständlich. Wenn er auf der Rednerliste stand, wusste man: Es lohnt sich hinzugehen. Er hat ganze Säle in seinen Bann gezogen. Immer war alles klar, logisch, einleuchtend, mit gut verständlichen, oft zu Herzen gehenden Beispielen durchsetzt, nie extrem, aber doch mit spürbarer, visionärer Weite.

Die basierte immer darauf, dass er sich vom einzelnen Menschen betreffen ließ, nach bestmöglichen Lösungen suchte und dafür auch bereit war, sich in Gremien und Vorständen von Fachgesellschaften zu engagieren. Dabei brauchte er weniger Energie im Klein-Klein als mancher andere. Er schaffte es mit seiner visionären und brillanten Art, Dinge entscheidend weiter zu bewegen. Ein Beispiel war, dass er den Kongress der Dt. Gesellschaft für Suchtmedizin nach Berlin holte. Der Tagungsort Ludwig-Erhard-Haus ist für die DGS mit seinem Namen verbunden, und – wen wundert es – auch das Engagement dieser Gesellschaft gegen Diskriminierungen aller Art. Nicht von ungefähr wurde er zum Ehrenvorsitzenden der DGS erklärt. Und auch das Bundesverdienstkreuz war hochverdient.

Lassen Sie mich dazu zwei besondere Aspekte hervorheben, die ihm sicher gleichermaßen Anliegen gewesen wären.
Erstens: Was für ein einzigartiger Facharzt konnte er aus der Grundlage heraus, Allgemeinmediziner zu sein, werden! Die Standespolitik späterer Jahre wollte immer mehr Trennung zwischen Haus- und Facharzt festschreiben, z. B. mit Hausarztverträgen, die solche Entwicklungen wie bei Jörg gar nicht mehr zulassen. Wie gut, dass wir noch die Zeit davor erleben konnten! Welche be-eindruckenden Entwicklungen und welche Spitzenleistungen das hervorbringen kann, wenn man Allgemeinärzten die Möglichkeit gibt, sich zum Facharzt-ähnlichen Spezialisten zu entwickeln, dafür war Jörg das beste Beispiel! Die Prägung durch die allgemeinärztliche Grundlage bedeutet dabei immer eine besondere, umfassend menschliche Note. Deren Wert kann man gar nicht hoch genug schätzen. Jörg hat das gelebt wie kaum jemand sonst.

Zweitens: Es ist sicher in Jörgs Sinn, wenn ich hier einmal auf die Deutsche AIDS-Hilfe hinweise. Dass dort dafür gesorgt wird, großartigen Menschen wie Jörg gebührende Nachrufe zu organisieren, in denen gerade auf menschliche Größe hingewiesen wird, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Das zeigt: Auch in den Reihen der Dt. AIDS-Hilfe ist eine besondere Menschlichkeit, weit über das Tagesgeschäft hinaus, zu Hause, und eben Grundlage allen Engagements.

Gibt es etwas, was ich mir als bleibenden Wunsch von Jörg vorstellen kann? Die Würde aller Menschen, besonders der von Krankheit und Schicksal gebrochenen Menschen, war ihm immer das größte Anliegen. Dazu passt die ganze Drogenprohibition überhaupt nicht. Dazu passen auch keine Diskriminierungen wegen ungewöhnlich erscheinender Geschlechtsidentität. Und wir waren uns darin einig, dass in der Vorbeugung und Behandlung von Suchtkrankheiten noch wirklich viel Verbesserung nötig ist – und möglich!


Bärbel

Du bist nicht mehr da, unvorstellbar. Du hast für mich immer zu den Menschen gehört, die man einfach kontaktieren kann, wenn einen eine Frage umtreibt oder Unterstützung braucht. Ich habe dich als unerschrockenen, unangepassten und äußerst engagierten Menschen erlebt, das fand ich immer erfrischend und ermutigend. Wir teilten die Nikotinabhängigkeit, und vor vielen Jahren musste ich deshalb auf einer Tagung herzlich lachen. Du hast auf dem Podium gesessen und dich sichtlich gelangweilt. Plötzlich bist du aufgestanden und wolltest gehen, der Moderator war perplex und fragte dich, wo du hingehst, und du sagtest, „Sie stellen mir keine Frage, dann kann ich auch rauchen gehen“. Für Menschen, die Hilfe brauchten, hast du dir die Zeit genommen und dich auf ganz unterschiedlichen Ebenen eingesetzt. Du hast für eine bessere und gerechtere Versorgung von Drogengebrauchenden und HIV-positiven Menschen gekämpft und vieles bewegt. Deine mitreißenden Vorträge auf Kongressen und Tagungen werden sicherlich vielen Menschen in Erinnerung bleiben. Ohne dich wird es trister und langweiliger, du fehlst. „Next slide, please…“


Winfried Holz

Es gibt Menschen, die muss man nicht gut kennen, viel von ihnen gelesen oder gehört haben, um von ihnen eingenommen zu sein. Für mich als langjährigen Patienten im Praxiszentrum Kaiserdamm war er zwar nie mein behandelnder Arzt, aber einige Termine bei ihm gab es doch. Ich erinnere einen Arzt, wie man ihn sich wünscht: schnörkellos, knapp, offen, aber doch voller Zuwendung. Wenn ich jetzt hier im magazin.hiv von ihm und über ihn lese, denke ich, ja, das passt völlig! Und so werde ich ihn in Erinnerung behalten als einen Vertreter einer – hoffentlich nicht aussterbenden – Sorte höchst engagierter, fähiger Ärzte, die den Menschen sehen und das, was nötig ist. Das tun sie dann auch, im Einzelfall in ihrer Praxis, aber genauso in den großen Zusammenhängen, standes- wie allgemeinpolitisch – das war vor 35 Jahren so wichtig wie heute!


Heino Stöver/akzept e.V.

Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, Jörg! Zuletzt in Kathmandu/Nepal – da warst Du – wie immer – auf den Punkt, hast Menschen geholfen, die in großer Not waren, flexibel, verantwortungsvoll, einfach klasse!

In den 90igern hast Du bereits in meinen Fortbildungsseminaren für die DAH über HIV und Substitution gesprochen, du warst ein Champion! Und dann Hilfe für Menschen mit HCV und HIV geleistet – das waren Deine Themen, die Du auch in Publikationen und auf Konferenzen vertreten hast wie kein anderer! Engagiert, informiert, immer sehr druckvoll!

Ich kann mich sehr gut an Deine Vorträge erinnern – Du hast Mut gemacht, Du hast den Menschen vermittelt, dass sie etwas ändern können!
Und Du hast politische Änderungen eingeklagt – und das sehr erfolgreich! Ohne Dich wären wir in der Substitution und auch in anderen Gebieten nicht da wo wir sind!

Danke!!


Ingo Ilja Michels

Der Tod von Jörg Gölz hat mich sehr traurig gemacht, weil ich mir gar nicht vorstellen kann, ihm nicht mehr zu begegnen auf Kongressen und Treffen zum Drogen- und Aids-Geschehen. Ich bin ja nun auch schon seit einigen Jahren im „Ruhestand“ und habe Jörg schon eine Zeitlang nicht mehr getroffen, da ich auch nicht mehr in Berlin lebe.

Dennoch hat mich die Nachricht über seinen Tod sehr betroffen gemacht, weil ich noch immer teilhabe am Drogen- und Aids-Geschehen, und dort spielt Jörg als Lehrer und Kollege eine sehr wichtige Rolle.

Schon als ich 1987 zur Deutschen Aidshilfe kam und dort den Drogen- und Knastbereich mit aufbauen konnte mit Helmut Ahrens und anderen, wurde mir klar, wie sehr auch gerade Menschen, die illegalisierte Drogen (in diesem Fall Heroin) unter unglaublich unhygienischen Bedingungen konsumieren mussten, sich reihenweise mit HIV infizierten. Und das war zu diesem Zeitpunkt ein fast sicheres Todesurteil! Es gab damals nur wenige niedrigschwellige Hilfeeinrichtungen und es gab nur sehr wenige Ärztinnen und Ärzte, die sich um drogenkonsumierende Menschen kümmerten und die Behandlung mit Substitutionsmitteln wie Methadon war noch verboten und weithin verpönt.

Ich wusste gar nicht, dass auch Jörg damals noch skeptisch war und erst durch seine persönlichen Erfahrungen und seine Menschlichkeit dazu kam, hier sofortige und bedingungslose Hilfe zu leisten. Ich habe ihn erst später persönlich kennen gelernt, als er schon engagiert war in der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS) und sich dort einsetzte gegen die Drogenverbotspolitik, für eine angemessene medizinische und soziale Hilfen auch für Menschen, die nicht bereit oder in der Lage waren, abstinent zu leben. Und er setzte sich ein für einen respektvollen Umgang mit diesen Menschen. Das hat mir sehr imponiert, weil er zu einer nur kleinen Zahl engagierter Mediziner*innen (und besonders Psychiater*innen) zählte, die das taten.

Später habe ich ihn, wie viele andere, als begnadeten Redner auf vielen Kongressen kennen- und schätzen gelernt und als Autor unzähliger wichtiger Artikel in Fachzeitschriften. Ich habe ihn sehr geschätzt und konnte ihn – auch als ich im Ausland (in China und in Zentralasien) tätig war – immer kontaktieren und auch mit Kolleg*innen von dort aufsuchen in der Praxis am Kaiserdamm. Auch als ich im Bundesministerium für Gesundheit tätig war in der Geschäftsstelle von verschiedenen Drogenbeauftragten, konnte ich immer auf seine Fachexpertise zählen, um die dortigen Ministerialbeamten zu informieren und zu überzeugen von neuen, oft sehr umstrittenen Wegen in der Behandlung von HIV/Aids und Drogenabhängigkeit.

Er hat sich auch schon für die Behandlung von Hepatitis C eingesetzt, als diese Behandlung noch umstritten war bei Drogenkonsumierenden, noch sehr teuer und noch sehr nebenwirkungsreich. Dennoch sollte Menschen geholfen werden, mit dieser Erkrankung zu leben!

Jörg hat alle „heißen“ Themen mit großer Offenheit angefasst und die Schwerpunktpraxis war offen für alle oft diskriminierten Menschen, ob queer oder drogenkonsumierend! Er hat seine Arbeit auch umfassend dokumentiert, um die Fachdiskussion zu befeuern mit neuen Erkenntnissen, zum Beispiel zu der Frage, welche Substitutionsmittel zu welchen „Typen“ von Drogenkonsumierenden passen könnten, wobei dieser Begriff von „Typ“ nichtdiskriminierend gemeint war, sondern von menschlichem Interesse geleitet!

Das hat ihn ausgezeichnet und ich habe seine Arbeit deshalb auch sehr geschätzt! Leider habe ich ihn in den letzten Jahren nicht mehr getroffen und viel zu wenig gewusst vom „Menschen“ Jörg Gölz und seinem familiären Hintergrund. Ich denke mit großer Wehmut und mit großem Respekt an ihn.


Jürgen Heimchen und Heidrun Behle/Elterninitiative für akzeptierende Drogenarbeit Wuppertal

Die Nachricht vom Tode Dr. Gölz betrübt uns sehr.

Die Arbeit und Erfahrungen mit seinen Patienten waren Motor für ihn, sich auch außerhalb des Praxisalltags zu engagieren – für eine erfolgreiche, bessere Substitutionsbehandlung, für eine Entstigmatisierung Drogen gebrauchender Menschen, für eine akzeptanzorientierte Behandlung, die eben nicht ausschließlich auf Abstinenz ausgerichtet ist, u.v.m.
Für uns Eltern Drogen konsumierender – später auch substituierter – Söhne und Töchter waren seine sehr klaren Vorstellungen und Forderungen vor vielen Jahren ein großer Hoffnungsschimmer.

Wir lernten Dr. Gölz kennen während der DGS-Kongresse. Er besaß eine außergewöhnliche persönliche Ausstrahlung, und seine mitreißenden Vorträge verpassten wir nie. Trotz ernster Thematik schien dabei ab und an eine humorvolle Seite von ihm durch, die wir auch sehr an ihm schätzten.

Wir sind dankbar, ihm begegnet zu sein, und werden uns immer gern an ihn erinnern!


Gerd Klausen

Danke Jörg!
Ich durfte noch während Deiner aktiven Praxiszeit über 8 Jahre eng mit Dir zusammen arbeiten und ich habe unglaublich viel von Dir gelernt. Medizinisch, aber vor allem auch menschlich.

Du warst der einzige echte medizinische „Lehrer“ für mich und ich bin sehr dankbar, Dich auch jenseits Deiner schillernden öffentlichen Persönlichkeit kennengelernt zu haben.

Dein Mut und Deine Toleranz und Vorurteilslosigkeit (oder zumindest die immer gelebte Suche danach) haben mich nachhaltig beeindruckt und in meinem Leben – nicht nur als Arzt – geprägt.

Ruhe in Frieden, Du kannst Dir sicher sein, dass Du vieles bewegt hast. Politisch, medizinisch, aber auch persönlich bei den Menschen, die Dich begleiten durften.


Dorothea Schleehauf

Du kamst durch Zufall in mein Leben. Über eine gemeinsame Freundin, die leider viel zu früh starb.

Sie meinte, Du würdest eine Kollegin/einen Kollegen suchen, die/der Dich vertreten könnte, wenn Du auf Veranstaltungen oder auf Kongressen etc. weiltest. Das war im Frühjahr 1994.

Ich vertrat Dich einige Male in Deiner alten Praxis in der Kantstrasse. Mein erster Eindruck war der eines gutaussehenden, sympathischen Arztes am Schreibtisch mit vollem Aschenbecher, aus dem es noch qualmte.

Ich arbeitete dann für sechs Monate mit dem Deutschen Notärztekommittee Cap Anamur in Ruanda nach dem Genozid.

Du meintest vor meiner Abreise, ich sollte mich doch mal melden. Du hättest eine Zusammenarbeit mit dem Internisten Arend Moll in Planung. Die spezialisierte Praxis für Onkologie und HIV-Medizin wolltet Ihr um Deinen Schwerpunkt Suchtmedizin ausbauen.

An Weihnachten 1994 rief ich Dich von Kigali aus an. Herzlich und enthusiastisch, wie ich Dich kannte, versprachst Du mir, dass ich auf jeden Fall nach meiner Rückkehr bei Dir mitarbeiten könnte. Geplanter Beginn der neuen Gemeinschaftspraxis am Kaiserdamm sei der 01. April 1995. So kam es, dass Du und Arend, zusammen mit der Onkologin Hannelore Seibt, das Praxiszentrum Kaiserdamm im April 1995 aus der Taufe hobt. Und ich kam am 02.05.1995 dazu. 

Es gab viele Ups and Downs, weitere Räumlichkeiten im gleichen Haus wurden angemietet und wieder aufgegeben, neue Kolleginnen und Kollegen kamen und gingen. Die meisten von ihnen sind weiterhin im HIV- und Suchtbereich tätig. Einige von ihnen sind zu Freundinnen und Freunden geworden.

Das Rauchen im Sprechzimmer musstest Du aufgeben, aber ansonsten habt Ihr Euch über 20 Jahre gut ergänzt, der Arend und Du.

Du hast mir vieles beigebracht. Es war schön, in einer Atmosphäre zu arbeiten, in der jeder Tag neue Erkenntnisse brachte, wir ständig alternative Wege suchten, Patientinnen und Patienten zu helfen. In einer Zeit, als Drogenabhängige und HIV-Infizierte diskriminiert wurden und HIV/AIDS nur unzureichend behandelbar war.

Zusammen mit dem Auguste-Viktoria-Krankenhaus und Berliner Kolleginnen und Kollegen wurde das Schöneberger Modell einer praxis- und klinikverzahnten Behandlung gegründet. Später kam das Studienzentrum EPIMED dazu, das vielen Patientinnen und Patienten ermöglichte, schon vor der Medikamentenzulassung neue Optionen zu ergreifen.

Die Stigmatisierung der Betroffenen, besonders der Drogenabhängigen, zu bekämpfen war das Hauptanliegen von Dir. So kam es zu Kondomvergaben an Hotspots, Spritzenvergaben an Drogenabhängige im Knast und an Umschlagplätzen, Broschüren über Umgang mit HIV-Infizierten (Händeschütteln und Küssen erlaubt, Sex nur geschützt, Schwangerschaften ein No Go, obwohl es immer wieder passierte).  Es hat lange gedauert, bis wir da waren, wo wir heute sind. 

Du warst derjenige, der den Mut und das Charisma hatte, diese medizinische Problematik den Kolleginnen und Kollegen, der breiteren Öffentlichkeit und der Politik zuzuführen. Es war Dein tiefes Anliegen, dass alle betroffenen Menschen der Hilfe und Therapie teilhaftig werden können. Ich war und bin stolz auf Dich. 

Du warst es auch, der mir den entscheidenden Tipp für das Arzt-Patient-Gespräch verraten hat: Höre jedem Menschen, der vor Dir sitzt, eine ganze Minute lang zu, ohne ihn zu unterbrechen; er wird es Dir danken.

Auch dafür, lieber Jörg, danke ich Dir. 

Du fehlst mir. 


Ilse Grosch-Woerner

Lieber sehr verehrter Herr Dr. Gölz,

es sind wahrlich alle Lobpreisungen, die Menschen formulieren können, Ihnen zuteil geworden.

Und sie sind so wahr – eine sehr große Gemeinde wird Sie nie vergessen, das Netzwerk der Kämpfer für HIV-betroffene Menschen in einer Welt voller Misstrauen, Abwehr, eigener Angst projiziert auf die Schwachen der Gesellschaft.

Dass Kinder in Ihrer Tätigkeit eine Rollle gespielt haben, haben Sie selbst eindrücklich beschrieben. Und diese Geschichte, trefflich kommentiert von Herrn Ulmer, gibt mir die Gelegenheit zu sagen, dass Ihnen nicht nur die Metamorphose vom Allgemeinarzt zum Facharzt gelungen ist, sondern sie haben Ihr Tun auch in die Kinderheilkunde transferiert: Die Kinder waren damals – wie immer – das schwächste Glied in der Kette, aber leider nicht von HIV verschont. Zunächst hat immerhin das BMJFFG in dieser durch Angst und Unkenntnis von Diagnostik und Therapie dominierten Zeit ab 1985 zur Primärversorgung ein Modellprojekt genehmigt, das entsprechend der Natur eines Modellprojektes nur eine bestimmte Laufzeit hat: Das Ende war für den 1.7.1991 ministeriell festgelegt. Und klar war – wer übernimmt die Weiterfinanzierung in welcher Form? KV, Ministerien, Ermächtigungen, Tagesklinik? Niemand hat die Hand erhoben – und genau hier, als die Existenz der Arbeitsgruppe HIV und Kinder mit Geburtsmedizin und Neonatologie auf der Kippe stand auf dem Weg ins Aus , hat Herr Gölz mehrere Male spontan angeboten, seine Strukturen auszubauen und die Kinderbetreuung mit ihren vielen Problemen (Mütter waren auch HIV-betroffen, die Dealer auf dem Klinikhof, Geld musste beschafft werden) irgendwie zu schultern.

Das gab uns in großer Notlage Mut, weiter zu kämpfen und den Kindern als ausgewiesene hilflose Zielscheibe der Diskriminierung (sie sollten z.B. nicht in den Kindergarten, die Schulen blockierten) einen Schutzraum bieten zu können und von der medizinischen Erfahrung des Allgemein/Facharztmediziners Gölz zu profitieren.

Ich denke, dass es mir erlaubt ist, im Namen aller damals Beteiligten aller Fachgruppen zu danken, es war eine interdisziplinäre Herausforderung auch in der Kinderheilkunde, der sich viele stellten, allen voran Herr Dr. Gölz. 

Sehr sehr herzlichen lieben Dank, Herr Gölz.

Ihre Ilse Grosch-Woerner


Berliner Aids-Hilfe e.V. – Vorstand und Mitarbeiter*innen

Still war es nie um Dr. Jörg Gölz. Er war Arzt und Menschenfreund durch und durch. Er war Pionier, Türöffner und zugleich Wegbegleiter für HIV-positive Menschen und für die Berliner Aids-Hilfe. Mit Beginn seiner medizinischen Laufbahn beherrschten HIV und Aids schnell seinen beruflichen Alltag. Die unheilbare Krankheit brach über uns alle herein, mit all ihren Ausprägungen. Da war es gut, Menschen wie Dr. Jörg Gölz unter sich zu wissen – ein Arzt, der Menschen nicht ausgrenzte, sie nicht seiner Praxistür verwies sondern – ganz im Gegenteil – diese Tür für sie öffnete. HIV-positive Patient*innen, die in den Anfangsjahren von HIV und Aids von anderen Praxen verstoßen wurden, erhielten bei ihm ihre medizinische Behandlung.

In einem eindrucksvollen Beitrag bei hivandmore aus dem Jahr 2011 schildert er selbst, wie er sich von der klassischen Schulmedizin mit ihren einengenden Ideologien und Dogmen emanzipierte und neue, viel erfolgreichere Wege beschritt: Anstatt drogenabhängigen Menschen eine Substitution zu verweigern, öffnete er sich der Substitutionstherapie oder besser noch: eröffnete er mit seiner Praxiserfahrung der Substitutionstherapie den Weg, drogengebrauchenden Menschen zu helfen, wie wir sie heute in weiterentwickelter Form kennen. Nicht das Verbot half den Menschen, sondern sich über das ihm aus einer fehlgeleiteten Gesundheitspolitik auch als Arzt auferlegte Verbot hinwegzusetzen und den Menschen mit „Verbotenem“ zu helfen: Mit der Gabe von Opiaten schenkte er vielen Menschen ein neues, ein zweites Leben.

Die Erfolge seiner Substitutionspatient*innen gaben ihm Recht und halten bis heute an. Dies ist vielleicht das größte Vermächtnis, das Dr. Jörg Gölz uns allen hinterlässt. Darüber hinaus sind wir als Berliner Aids-Hilfe gemeinsam mit den ungezählten Menschen in Berlin und über die Stadtgrenzen hinaus für seine Expertise und seinen Umgang mit HIV und Aids so unendlich dankbar, dankbar auch dafür, dass er sich jedem individuellen Schicksal mit voller Aufmerksamkeit angenommen und so gut er konnte geholfen hat. Dr. Jörg Gölz war ein einzigartiger Mensch, ein Glücksfall für uns alle! Danke, Jörg, dass wir mit dir arbeiten und dich erleben durften!


Astrid Leicht, Fixpunkt e.V.

Jörg Gölz war ein Pionier der Berliner Suchtmedizin. Was heutzutage viele Menschen gar nicht wissen: Mitte der achtziger Jahre war jede:r dritte Mensch, der Heroin injzierte, HIV-infiziert. Es gab keine HIV-Therapiemöglichkeit. In dieser Zeit beherrschte die Abstinenz-Ideologie die Drogenhilfe, die deshalb der HIV-Epidemie unter drogengebrauchenden Menschen hilflos gegenüber stand. In dieser bleiernen Zeit war Jörg nach meiner Erinnerung der erste niedergelassene Arzt in Berlin, der zugewandt und pragmatisch HIV-positive und schwangere Heroinabhängige mit Polamidon behandelte.

Jörg prägte und formte über Jahre hinweg die HIV- und Suchtmedizin und stellte die Weichen für einen Paradigmenwechsel der Berliner Drogenhilfe. Ich lernte ihn in den Achtzigern als ehrenamtliche Aktivistin in der Berliner Aidshilfe und Fixpunkt-Mitbegründerin kennen.

Seine Persönlichkeit, seine Haltung und Fachlichkeit waren für mich und mein Fixpunkt-Engagement prägend. Danke!

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Über

Holger Sweers

Holger Sweers, seit 1999 als Lektor, Autor und Redakteur bei der Deutschen Aidshilfe, kümmert sich um die Redaktionsplanung des Magazins.

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